Umgang mit Literatur? Ganz normal
20 JAHRE LITERATURHAUS
29/09/11 "Wir sind Risiken eingegangen in diesen zwanzig Jahren, weil wir nicht nur der verlängerte Arm des Buchmarktes sein wollten." Tomas Friedmann im Gespräch mit DrehPunktKultur: "Ich finde es schön, wenn bei uns klug über Texte gesprochen wird. Aber es geht auch um die Begegnung, nicht nur um das Lesen aus Büchern toter Autoren."
Von Heidemarie Klabacher
"Vor ein paar Tagen hatten wir einen Abend mit Gebärden-Poesie. Die Gäste waren zu neunzig Prozent Gehörlose. Der Saal war so still wie noch nie. Aber da ging es richtig zur Sache mit Gesellschafts- und Sozialkritik." Darin sieht Tomas Friedman eine der Kernaufgaben des Literaturhauses: "Wir wollen nicht nur Bücher präsentieren."
Im malerischen vierhundert Jahre alten "Eizenbergerhof" in der Strubergasse wurde im Oktober 1991 das Literaturhaus Salzburg eröffnet. Leiter damals war Harald Friedl. Ihm folgte nach eineinhalb Jahren der ehemalige ORF-Literatur- und Hörspielredakteur Tomas Friedmann. Er ist als Geschäftsführer des Trägervereins mit heute vierhundert aktiven Mitgliedern auch für das Programm verantwortlich. Der Trägerverein, zuständig für Infrastruktur, Marketing oder Werbung des Hauses, ist - mit 144 Veranstaltungen etwa im Jahr 2010 - zugleich der größte Veranstalter.
Weiters beherbergt der Eizenbergerhof die Vereine Literaturforum Leselampe, Salzburger AutorInnengruppe, erostepost, GrazerAutorenVersammlung-Salzburg und Prolit. "Es ist nicht immer alles friedlich gegangen, es wurde auch schon gestritten im Haus", so Friedmann. "Aber heute sind hier fünf Literatureinrichtungen versammelt, die zwei Literaturzeitschriften und eine Buchedition herausgeben und insgesamt etwa neunzig Veranstaltungen jährlich organisieren." Seit 1991 wurden bei viertausend Veranstaltungen immerhin 225.000 Gäste gezählt.
Das Literaturhaus Salzburg gehört zu den ältesten Literaturhäusern im deutsprachigen Raum: "Nach Berlin 1986, Hamburg 1989 und Frankfurt im Frühling 1991, wurden im Herbst 1991 die Literaturhäuser Wien und Salzburg eröffnet." Geburtstag wäre Mitte Oktober, "aber da ist Frankfurter Buchmesse".
Heute habe jedes Bundesland sein Literaturhaus, in Deutschland wurden seit 1991 viele weitere Literaturhäuser eröffnet. "Die großen Häuser sind eher die älteren."
Gibt es Unterschiede? "Das Literaturhaus Salzburg ist sicher weniger akademisch, also so manches andere." Er glaube, so Friedmann, "dass wir in Auftreten und Engagement, in Inhalt und Formen sehr lebendig sind". Dazu gehöre es auch, "ein bisserl frech zu sein". Wie derzeit etwa mit den knallrosa "i beis-Plakaten".
Mit einer umfassenden Kinder- und Jugendarbeit, Literaturfahrten, Literaturfrühstück, Krimifest, Ausstellungen oder der Reihe "Europa der Muttersprachen" habe das Literaturhaus Salzburg ein eigenständiges Profil entwickelt: "Das machen nicht alle, das macht auch einen Großteil unseres guten Rufes aus."
Literatur sei für Friedmann vor allem einmal grenzenlos: "Wir können und wollen nicht nur österreichische Literatur präsentieren. Das geht ja im Theater oder im Film auch nicht."
Sein Ziel sei es gewesen, das Literaturhaus als einen Ort der Kommunikation zu positionieren: "Daran wird bis heute gearbeitet. Wir hinterfragen uns selber fast täglich, und wir fragen ständig, was sich gesellschaftlich verändert: Über Sprache und Literatur funktioniert das besonders gut."
In Salzburg hätten die Menschen früh erkannt, dass man im Literaturhaus über alles reden kann: "Ich finde es schön, wenn bei uns klug über Texte gesprochen wird. Aber es geht auch um die Begegnung, nicht nur um das Lesen aus Büchern toter Autoren." Das Motto "Wo das Leben zur Sprache kommt" - übrigens aus der Feder von Manfred Koch - nehme man wörtlich.
Immer wieder höre er von Autorinnen und Autoren, dass es ihnen gefalle, wie man im Eizenbergerhof mit der Literatur umgeht: "Nämlich ganz normal. Wir heben Literatur nicht auf einen Sockel. Wir sind ja keine Kirche." Es gefalle auch vielen bekannten Autoren sehr, "dass wir nicht vor ihnen auf die Knie fallen", so Tomas Friedmann. "Diesen normalen Umgang schätzen viele. Autorinnen und Autoren sind ja auch Menschen wie du und ich, mit oft den gleichen Problemen."
Auch die Geografie und der Nimbus der Mozart- und Festspiel-Stadt Salzburg begünstigen das Literaturhaus Salzburg: "Die Lage zwischen Wien und München ist günstig. So gelingt es uns - über gute Kontakte hinaus - große Autoren, die auf Lesereise sind, nach Salzburg zu holen." Nur Herbert Achternbusch wollte hier keineswegs Station machen: "Salzburg, da fahr ich vorbei."