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Die Heimat und die andere Welt

LESUNG / MAJA HADERLAP

29/09/11 Bereits eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn sind die Ersten im Literaturhaus. Sie haben „ihre“ Ausgabe des Debütsromans „Engel des Vergessens“ der Bachmann-Preisträgerin Maja Haderlap mit, kommen miteinander bereits vor Veranstaltungsbeginn über die großen Themen „Kindheit, Heimat, die Lage der Slowenen in Kärnten“ ins Gespräch.

Von Christina Repolust

altChrista Gürtler vom Salzburger Literaturforum Leselampe kann vor einem vollen Saal den Abend in der Themenreihe „Familienmuster – Kindheitswelten“ eröffnen: „Ich habe den Roman gelesen und Maja Haderlap daraufhin sofort eingeladen – und das lange bevor sie beim heurigen Bachmannwettbewerb in Klagenfurt las. Das Familienmuster ihres Debütromans zeigt Beschädigungen, Verletzt- und Versehrtheiten, zeigt eine besondere Welt der Kindheit.“ Erschienen ist Haderlaps Roman im Wallstein Verlag/Göttingen. Thorsten Ahrend, der dort den Bereich Belletristik betreut, moderiert den Abend. Dass der Roman mittlerweile in der 6. Auflage vorliegt, spreche dafür, dass auch „die Zweifel der Verlagsvertreter, wie viele wohl in Schleswig-Holstein etwas mit der Geschichte der Slowenen anfangen könnten“ mittlerweile sicheren Überzeugungen gewichen seien.

Wenn die 1961 in Eisenkappel – Zelezna Kapla – geborene Autorin zu lesen beginnt, wird es in dem vollen Saal noch leiser, stiller als zuvor. Manche scheinen auf ihren Sesseln und Bänken noch ein kleines Stück nach vorne zu rutschen, um gut in die schwarze Küche der Großmutter und damit in eine beinahe vertraute Kindheit schauen zu können. Ja, der Geruch von Schweineschmalz ist wieder da, man hat ihn sich bei der privaten, der Selbstlektüre und Selbstbefragung der eigenen Kindheit, bereits herbeigelesen, schnell ist er wieder abrufbar.

altDie Großmutter also, das kleine Mädchen also, die Frömmigkeit, die KZ-Erinnerungen, die Traumatisierungen des Vaters. Man darf bei manchen Stellen auch lachen: Die Fernsehantennen waren damals wirklich noch sensibler als Wünschelruten! Der Blick durchs Fenster in diese Familie, in den Obstgarten, durch die Jahreszeiten, auf Wallfahrten und Schmuggelaktionen ist scharf gestellt bei den Hörenden hier im Literaturhaus.

Zeit spielt jetzt keine Rolle mehr. Die Autorin hat die Textstellen klug gewählt, die Lesung richtet sich an ihr Gegenüber, das sie mit auf die Reise nach innen, durch Kindheit und Landschaft nimmt. Ruhige Sicherheit und hohe Konzentration der Vorleserin prägen diese Veranstaltung. „Viele Menschen haben mich auf den geschichtlichen Hintergrund angesprochen, viele wussten beinahe gar nichts von den Partisanen, deren Diskrepanzen, deren Alltag im Dazwischensein“, erzählt Maja Haderlap im anschließenden Gespräch. Für manche katholische Slowenen sei es kein Widerspruch gewesen, Kommunist zu sein und am Sonntag in der Kirche zu sitzen, im Alltag zu beten. Zwischen Tür und Angel habe sich die Sozialisation gar nicht selten abgespielt.

„Klarerweise wurde ich gefragt, warum ich diesen Roman auf Deutsch und nicht auf Slowenisch geschrieben habe – er wird jetzt übrigens übersetzt, aber nicht von mir. Es gab Anfragen, aber keine großen Anwürfe. Ein Leser meinte, dass mein Roman mehr bewirke, als es fünfhundert Ortstafeln könnten. Sehr viele Leser erzählen, dass sie weinen mussten: Ich bekomme innige Reaktionen auf mein Buch.“ Innigkeit und Reflexion, Verstehen und Geschichtsbewusstsein sind auch hier im Literaturhaus Salzburg kein Widerspruch geworden bzw. gewesen. Manchmal funktioniert es und selbst um 22 Uhr will man dann noch mit jemandem weiter reden.

Bilder: Christina Repolust

 

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