Nebengekritzel und Hauptwerke
PETER HANDKE / AUSSTELLUNG / STEFAN ZWEIG CENTRE
10/08/11 „Sehr geehrte Redaktion! Gestern las ich wieder einmal in ihrer Zeitung meinen Namen unter den sogenannten Kandidaten für das Amt des Theaterzuständigen bei den Salzburger Festspielen. Ich erkläre nun ein für alle Mal, daß ich das Amt, Straßenkehrer auf dem Mönchsberg zu sein, vorzöge.“ Das schrieb Peter Handke am 18. Oktober 1984 auf einer Postkarte an die „Salzburger Nachrichten“.
Von Heidemarie Klabacher
Die berühmte Straßenkehrer-Karte hat ihren Weg in das Salzburger Literaturarchiv gefunden - und ist jetzt ein Autorgraph. Dürfte man ein solches angreifen und umdrehen, wären vorne drauf „Schlösser von Salzburg“ zu sehen. Sonst schickt Peter Handke gerne Postkarten mit Kirchen als Motiv, wie eine Postkarte vom 23. März 1988 aus Santiago di Compostela bestätigt: „So sind einem (oder mir) die Kirchen am nächsten: klein, romanisch, vereinzelt im Weideland, ein Bach daneben (sehr schmutzig)“, schrieb Peter Handke an Prälat Johannes Neuhardt, einen seiner namhaften Salzburger Tarock-Partner, zu denen neben Alt-Rektor und Literaturarchiv-Gründer Adolf Haslinger auch Handkes früherer Schulkollege Hans Widrich gehörte.
Johannes Neuhardt habe seine Handke-Autographe dem Salzburger Literaturarchiv übergeben, erzählte Hildemar Holl vom Literaturarchiv heute Mittwoch (10.8.) bei der Pressepräsentation zur Ausstellung „Peter Handke und Salzburg - Eine literarische Spurensuche“. Diese Karte zähle, so Holl, zu den Stücken, die zum ersten Mal überhaupt öffentlich ausgestellt werden.
Schauspielchef der Festspiele ist Peter Handke tatsächlich nicht geworden (aber auch von einer Straßenkehrer-Tätigkeit weiß die Handke-Forschung nichts zu berichten). Deutliche Spuren hat er bei den Festspielen dennoch hinterlassen: Am Freitag (12.8.) wird mit „Immer noch Sturm“ ein neuer Handke bei den Festspielen auf der Perner-Insel uraufgeführt. Das ist zwar der Anlass für die Ausstellung im Stefan Zweig Centre, aber keineswegs die erste Handke-Produktion der Festspiele: Die kleine aber inhalts- und beziehungsreiche Schau erinnert in einer Vitrine mit Probenfotos, Kostümentwürfen und Manuskripten etwa an die Festspielproduktionen der Handke-Stücke „Über die Dörfer“ oder "Prometheus gefesselt“.
„Immer noch Sturm“ ist natürlich ebenfalls vertreten: Mit einem Original-Manuskriptblatt und dem Klappentext des Suhrkamp-Verlages mit roten Korrekturen des Lektors, erklärt der Salzburger Germanist, Biographieforscher und Thomas Bernhard-Experte Manfred Mittermayer, der zusammen mit Hildemar Holl vom Salzburger Literaturarchiv die Ausstellung konzipiert hat.
Peter Handke lebte von 1979 bis 1987 in Salzburg. Das hat Spuren hinterlassen auf Fotos, Postkarten und Zetteln, aber - und das ist für eine Literaturausstellung natürlich das Wichtigste - vor allem auch im Schaffen des Autors. Originalhandschriften und Typoskripte, die in privaten und öffentlichen Salzburger Archiven gehütet werden, sind ebenfalls zu sehen, werden teils zum ersten Mal überhaupt öffentlich ausgestellt, wie etwa die Karte an Johannes Neuhardt oder das von Handke selbst gebastelte Deckblatt zu „Die Kuckucke von Velika Hoca“, für das er aus einer Postkarte das winzig abgebildete Dorf heraus vergrößert habe, wie Hildemar Holl erzählt.
In fünf Vitrinen werden Manuskripte und Fotos aus der Stiftung Salzburger Literaturarchiv sowie Aufführungsdokumente aus dem Archiv der Salzburger Festspiele gezeigt, aber auch persönliche Leihgaben von Salzburger Freunden Peter Handkes.
Beeindruckend die gestochen scharfe Handschrift des Autors. Manche Blätter sind eine Fundgrube für die Forschung: „Nebengekritzel“, wie Peter Handke selbst seine Notizen nenne, die während des Schreibens entstehen. Der „frühe Handke“ hat ja noch Schreibmaschine geschrieben - einzeilig, was Korrekturen mühsam gemacht hat, und was ihm Freunde wie Widrich oder Haslinger schließlich ausgeredet haben. Nach einer Phase eineinhalb-zeiligen Maschinschreibens sei Peter Handke aber dann ohnehin bald zum Schreiben mit Bleistift übergegangen, so Hildemar Holl.
Die Ausstellung „Peter Handke und Salzburg - Eine literarische Spurensuche“ entstand in Zusammenarbeit von Universität Salzburg, Stiftung Salzburger Literaturarchiv, Stefan Zweig Centre und Archiv der Salzburger Festspiele. Nicht verwirren lassen: Die Dauerausstellung zu Stefan Zweig ist ebenfalls zu sehen. Die vom Bühnenbildner und Ausstellungsmacher Peter Karlhuber gestalteten fünf Handke-Vitrinen sind kunstvoll integriert - was die Kuratoren Manfred Mittermayer und Hildemar Holl durchaus für einen Glücksfall halten: „Die Themen ‚Europa’ und ‚Frieden’, sowie das Schreiben gegen den Krieg verbinden Zweig und Handke.“