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Schrecken, Schellack und Adorno

LITERATURFORUM LESELAMPE / LESUNG WYSOCKI

20/06/11 „Der Vater, ein Pionier der frühen Schellack-Kultur, holt in den zwanziger und dreißiger Jahren die Tanz- und Varietéorchester Berlins ins ODEON-Aufnahmestudio. Später, in der Nachkriegszeit, bringt er jeden Abend aus der Stadt eine neue schwarze Scheibe mit, aus der zum Schrecken der Tochter laute Musik ertönt.“ Gisela von Wysocki liest auf Einladung des Literaturforums Leselampe am Dienstag (21.6.) im Literaturhaus aus ihrem autobiographischen Roman „Wir machen Musik“.

"Der Vater, Georg von Wysocki, 'macht' Schallplatten, deren Herkunft und Eigenschaften die Tochter sich nicht erklären kann." Die erste Zeile der Biographie auf der website der Autorin ist zugleich der Schlüssel zum Roman. „Der Vater erscheint ihr als Zauberer, der Opernsänger, Pianisten und ganze Orchester in das winzige Format der Schallplatte zwängen kann.“ Doch die Tochter verlässt die Welt der Musik, studiert bei Adorno Philosophie und entdeckt für sich die Welt der Literatur.

Von den Zwanziger Jahren über die Ufa-Zeit der Dreißiger bis in die Fünfziger Jahre reicht die erzählte Zeit in Gisela von Wysocki Roman. Berichtet wird von der Reise eines Kindes aus musikalischem Haus ins Zentrum deutscher Geschichte: eine szenenreiche „éducation musicale“, eine Chronik in Form „poetischer Augenblickserfahrung“. Gisela von Wysocki liest auf Einladung der Leselampe in der Reihe „Familienmuster/Kindheitswelten“.

Nichts interessiert die Tochter mehr, als herauszufinden, was es mit der väterlichen Welt der Musik auf sich hat, aber ihre musikalischen Versuche scheitern auf skurrile Weise. Zwischen Burleske und Drama erzählt Gisela von Wysocki von Täuschungen und Enttarnungen und der Faszination eines Kindes für die Welt der Musik.

Das Buch „ist die Geschichte einer kulturellen Emanzipation und ein Sprachkunstwerk. Die Stimme der kleinen Ich-Erzählerin vermischt sich mit jener ihres erwachsenen Alter Ego zu einem wunderbar klaren, analytischen und eleganten Erzählton“, schrieb Isabella Pohl im „Standard“.

Gisela von Wysocki wurde in Berlin geboren, wo sie als Essayistin, Theater- und Hörspielautorin und Literaturkritikerin lebt. Sie studierte Musikwissenschaft in Berlin und Wien sowie Philosophie bei Theodor W. Adorno in Frankfurt und promovierte über den österreichischen Dichter Peter Altenberg. Für ihre Buchveröffentlichungen, etwa „Die Fröste der Freiheit“ (1981), „Weiblichkeit und Modernität. Über Virginia Woolf“ (1982) oder „Fremde Bühnen. Mitteilungen über das menschliche Gesicht“ (1995) erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen. Ihre Bühnenstücke entwerfen neuartige szenische Vorlagen für das Theater. Im Vorjahr erschien im Suhkamp Verlag der Roman „Wir machen Musik. Geschichte einer Suggestion“.

Darin heißt es: "Das ganze Theater mit dem Unkalkulierbaren fing mit der Pferdebahn an. Da ging es los; der Zirkus mit der Schallplatte, meine Kindheit mit ihrem ganzen Trara oder, wie der Vater es ausgedrückt hätte, das Leben mit seinem Pipapo." (Leselampe/dpk-klaba)

Lesung Wysocki: Dienstag (21.6.), 20 Uhr, Literaturhaus - www.literaturhaus-salzburg.at ; www.giselavonwysocki.de
Bild: Gabriele Muschel / Suhrkamp Verlag

 

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