Arbeit vor dem Motiv
LESEPROBE / BODO HELL
19/09/13 Die Residenzgalerie hat fünf Autoren – Vea Kaiser, Julya Rabinowich, Bodo Hell, Walter Kappacher und Michael Köhlmeier – animiert, Texte über jeweils ein Bild nach Wahl aus dem Sammlungsbestand zu schreiben. Bodo Hell sinniert über das Gemälde „Dachstein mit Hallstättersee“ von Franz Steinfeld.Vor allem beschäftigt ihn, einen Intim-Kenner der region, was sich wohl hinter und über der Felswand verbirgt, die sich so mächtig und dunkel von rechts in die Biedermeier-Vedute drängt. Die Leseprobe ist der letzte Abschnitt des Texts.
Von Bodo Hell
der eigentliche Clou dieses an realen und vorgestellten Spiegelungen reichen Bildes aber ist wohl die einsame Gondolieuse, wie sie leicht vorgebeugt stehend mit ihrem einen Riemen (dem großen Paddel) den vielleicht acht Meter langen kiellosen Trauner (eine Plättn) hinter der Felskante hervorgleiten lässt, noch ist dadurch die spiegelglatte Wasseroberfläche nicht von Kräuselungen oder gar Wellen in Mitleidenschaft gezogen, allerdings zieht schon ein einzelner langer heller Strich (vielleicht von einem anderen Vorläuferboot) horizontal über den See hinweg, und kaum jemand wird mit Sicherheit sagen können, was der Zweck dieser weiblichen Ausfahrt ist, denn die Richtung und Route würde nicht einmal jener der heutigen Motorboote entsprechen, die zu jedem ankommenden/abfahrenden Zug der Salzkammergutbahn an der MiniStation am anderen Seeufer übersetzen, doch die Bahntrasse wurde erst in der 2. Hälfte des 19. Jhs. Angelegt (1877 im Dampfbetrieb eröffnet, 1924 elektrifiziert), und eine Ausfahrt zu den abends für die Nacht gesetzten Fischernetzen wird es in Anbetracht der Tageszeit (hoher Nachmittag) auch nicht sein, bleibt vielleicht eine Küstenfahrt am Westufer entlang, um einen entfernt tätigen Angler heimzuholen oder einen versteckt liegenden Vorposten anzusteuern oder gar bis zum großen Schwemmkegel des Gosauzwangs mit einer wichtigen Botschaft vorzufahren, der Salzkerntransport den steilen Weg vom Salzberg zum Ort Hallstatt herunter war zwar Sache der Kerntragerweiber, doch ein allfälliger Weitertransport seeauswärts wird vermutlich nicht mittels solcher Einzelfahrten bewerkstelligt worden sein, die wahrscheinlichste Erklärung wäre wohl, dass diese Einheimische im Kahn (größere Lasten sind in dieser Fuhr nicht zu sehen) nur deshalb herübergefahren kommt, um unseren Kammermaler, der seine Skizze zum Bild Dachstein mit Hallstättersee auf seinem Vorposten so gut wie abgeschlossen hat (das gekonnt lasiert ausgeführte Ölbild selbst, wie es uns erhalten ist, wird dann vielleicht in einem provisorischen Hallstätter Sommer- oder gar erst im Wiener DauerAtelier fertiggestellt worden sein) auf diesem damals einzig bequemen, nämlich dem Wasserweg, zurück in den verborgenen Ort Hallstatt (an diesem fjordähnlichen Binnensee am Nordrand der nördlichen Kalkalpen/Ostalpen im innersten sogenannten Salzkammergut) heimzuholen