Schrittweise diese verbotene Zufriedenheit
BUCHBESPRECHUNG / BODROZIC
09/05/11 Quitten erzeugen im Mund einen eigentümlich bitter-saueren, auch ein wenig süßen Geschmack. Da mischt sich Herbheit mit mehliger Fülle. Von außen gesehen ist die Frucht weder gelb, noch orange, noch rot, hat von allem etwas. Quittenfärbig eben.
Von Ulrike Guggenberger
Marica Bodrocic liebte sie, „..schon im Bauch der Mutter“, die Quittenstunden. Das Kind Marica ist leise und stumm, bleibt bei sich, hütet seine Erfahrungen, hebt sie auf. Später wird sie sie noch brauchen, werden sie Gestalt annehmen. Im Titel gebenden Gedicht „Quittenstunden“ kommen sie hoch, die Erinnerungen an diese Kindheit, wenig rosige. Ihr Sprechen wurde ihr von den Erwachsenen abgestellt, „...wurden ihr von der Zunge entfernt“.
1973 in Dalmatien im heutigen Kroatien geboren, hat sich Marica Bodrozic dann über das Schreiben geäußert, greift in einen überreichen Sprachschatz, den sie vielleicht damals, in ihrer Kindheit, vor sich und von allen anderen unbemerkt in sich vergraben hat. Als letzte der Familie - sie war zunächst zuhause beim Großvater zurückgeblieben - geht sie nach Deutschland, studiert Kulturanthropologie, Psychoanalyse und Slawistik. Ihre Romane, Erzählungen, Gedichte verfasst sie zunächst jedoch in Deutsch, dann erst werden sie ins Kroatische übersetzt.
Sich in Deutsch auszudrücken bedeutet für Marica Bodrozic eine Art „stiller Distanz“, einen „Echoraum“, wie sie sagt. Diese Distanz entsteht, „weil man nicht einfach nur über sich selbst schreibt, sondern an einer Biografie von sich selbst, wie man gewesen sein könnte“.
Mit nachtwandlerischer Sicherheit sprudeln Worte aus ihrem Inneren, formen sich zu Sätzen, Gedichten, springen vom Kleinen ins Große, von Katzen und Hunden zu Menschen, vom Naturempfinden ins Großstadtgewühl, vom Tag zur Nacht.
Über den Vater: „...er konnte nichts schenken, nur anordnen, es war schlimm, ihn dennoch zu lieben.“ Von Sehnsüchten, unerfüllten und verschobenen, von der menschlichen Weisheit: „Am Ende aller vielfachen Welten bist du allein mit dir selbst im Dunkeln und im Lichten.“
Herzkontrolle, herzbündig und Kusskreislauf kommt bei ihr vor. Eine, die unterwegs ist, dem Leben nicht ausweicht, es von allen Seiten in sich aufnimmt. Und „schrittweise diese verbotene Zufriedenheit beim Schauen, beim Gehen, beim Stehen, beim Zusehen“ in sich zulässt.