Unverschämt unterhaltsam
BUCHBESPRECHUNG / RINNERTHALER / DIE LEIDEN DES ALTEN WORTKLAUBERS
12/05/11 Das man sich das „heutzutage“ überhaupt noch traut! Einfach eine Geschichte erzählen. Ganz unprätentiös, mit Figuren und Handlung und so… Werden dabei auch ironische Seitenblicke geworfen - des Autors auf sich selbst, seine Figur und sogar seine Leser - und wird nebenbei auch noch über Sprache als solche reflektiert, dann genießt man wundersam heitere Stunden an der Seite des alten Wortklaubers. Selbst sein Kühlschrank war unplugged.
Von Heidemarie Klabacher
Ja schon. So altmodisch wie der Titel - „Die Leiden des alten Wortklaubers“ - ist diese ganze „seltsame Liebesgeschichte“, die Reinhard Rinnerthaler entwickelt zwischen dem eigenbrötlerischen Dr. Bruno Kant (sogar dessen Ehescheidung war harmonisch verlaufen) mit seiner hingebungsvoll kritischen Liebe zur Deutschen Sprache und der jungen italienischen Kellnerin mit der selben hingebungsvollen Liebe. Kritisch ist Paola nur gegen sich selbst - ihr Deutsch ist noch immer nicht perfekt.
Und an diesem Punkt setzt Dr. Kant an: Sich von Anfang an aller Hoffnung auf Gegenneigung enthaltend, hofft er über die unverdächtige Rolle des Sprachlehrers zumindest auf die Gesellschaft der Angebeteten.
Das wäre nun wirklich gar simpel. Aber dann schlägt allein die Handlung mehrere unerwartete Salti. Und die scheinbar klassische Geschlossenheit von Ort, Zeit und Handlung öffnet sich wie nebenbei nicht nur in die Ferne über die steirische Thermenregion und Arkadien weit hinaus bis in geradezu märchenhafte Gefilde und an ebensolche Gestade. Und wie elegant Rinnerthaler die näheren Kontakte seiner Protanonistinnen und Protagonisten zu umschreiben versteht: Wäre das ganze ein dramatischer Text, würde als Regieanweisung stehen: "Sie betätigen sich geschlechtlich." Das lässt Raum.
Von einem Autor und seinen Figuren erwartet man ja gemeinhin, dass sie sich entwickeln. Nun. Das tut Dr. Kant in einer derart dramatischen Art und Weise, dass man sich fast schon ein wenig verulkt fühlt, als Kritiker und Leser. Dass von der starren Erzählhaltung Dr. Kants und seiner fast schon dokumentarischen stilistischen Trockenheit auch nichts mehr übrig bleibt, ist einer der weiteren geglückten und charmanten Züge dieses Romans. Tatsächlich erweitern sich besagte Gefilde locker bis zum Reich Harun al Raschids (nicht des historischen Tyrannen, sondern dessen Alter Ego aus dem Märchen). Als Reisender und Kenner von Marokko schöpft Reinhard Rinnerthaler aus dem Vollen, übertreibt aber nicht mit Lokalkolorit, sondern malt subtile Aquarelle. Ein Vergnügen.