Trank Zappa wirklich Grappa?
JAZZFESTIVAL SAALFELDEN 2011
01/06/11 Irgendwann, sagt Mario Steidl, habe man aufgehört, bei jedem Programmpunkt dazuzuschreiben: Ur- oder Österreichische Erstaufführung. „Das ist uns provinziell vorgekommen.“ Understatement zeigt man auch, wenn man heuer „Didl Dum Didl Dey“ oder „Tätarä“ auf die Plakate schreibt …
Von Reinhard Kriechbaum
Von der „Aufhebung des Reinheitsgebots im Jazz“ spricht Steidl und von einer „gewissen Respektlosigkeit“: Viele Musiker und Gruppen stünden heutzutage für einen kreativen Umgang mit alten Stilformen, es gebe unzählige Anspielungen und Zitate – und bei vielen entstehen eben neue Personalstile. Das kultiviert man seit Jahren beim Jazzfestival Saalfelden, das von 25. bis 28. August stattfinden wird. Es ist das zweiunddreißigste.
Wer es auf die Hauptbühne im Kongresszentrum bringen will, darf nichts Abgestandenes hören lassen. Das ist das Podium eben für brandneue Projekte, zumindest für Österreich-Debüts. Max Nagls „Eight in One“ (acht ist die Zahl der Musiker) ist eine neue Besetzung, und die Musik Ergebnis des Kompositionsauftrags, der jedes Jahr für diesen Anlass vergeben wird. Auch Ingebrigt Håker Flaten und das Chicago Sextett haben ganz neue Nummern im Reisegepäck. Electric Willie um den Gitarristen Elliott Sharp bringt eine Uraufführung, und The Nels Cline Singers mit dem Keyboarder Yuka C. Honda sind überhaupt das erste Mal in Europa.
Die Grenzgängereien, die Mischformen, das aus Zitatwerk neu und individuell zusammengesetzte hat es den Jazzfestival-Leitern Mario Steidl und Michaela Mayer angetan. Dafür steht zum Beispiel die amerikanische Geigerin Jessica Pavone mit ihrer Army of Strangers. Hanns Eislers Musik gibt die französisch/dänisch/deutsche Gruppe „Das Kapital“ zum Besten. „Trank Zappa Grappa in Varese?“ – da dreht eine Gruppe aus Schweizer und Belgiern so krativ wie ernsthaft Musik eines Großen durch die Mangel.
Der Schlagzeuger Jim Black (USA) hat bei einem Workshop den Salzburger Pianisten Elias Stemeseder kennen gelernt – in Trioformation tritt man nun erstmals auf. „Die Musiker müssen selbst zusammenfinden“, meint Mario Steidl. Er hält nicht viel davon, wenn Veranstalter sich einmischen und Leute zusammenführen. „Sechshundert Promotion-CDs bekomme ich jedes Jahr“, plaudert Steidl aus dem Nähkästchen. Genug Auswahl also. An den USA komme man nicht vorbei, aber er habe „auch sehr gezielt im Osten gesucht“. „KonstruKt“, eine Formation aus der Türkei, wird mit dem amerikanischen Saxophonisten Marshall Allen auftreten.
Aus Slowenien kommt die Kar ?eš Brass Band, mit der es am Donnerstag, 25.8., auf dem Rathausplatz los geht – „eigentlich schon ein Festival im Festival“, freut sich Mario Steidl. Alles in allem bietet man an den vier Festivaltagen 31 Konzerte, fünfzehn auf der Hauptbühne, sechs am Rathausplatz, sechs als „Short Cuts“ im Nexus.
Das Budget wie immer: 650.000 Euro. Mit den rund 15.000 zu erwartenden Gästen „kommen wir gut über die Runden“, so der frisch gebackene Saalfeldener Tourismuschef Stefan Pühringer, der zum eigenen Pressegespräch am Mittwoch (1.6.) eine Viertelstunde zu spät gekommen ist: „Der Salzburger Stadtverkehr ist so neu für mich wie die Musikrichtung Jazz.“ Er kann noch dazulernen. Dass eines der Saalfeldener Almkonzerte von der Österreich-Werbung als Lead-Sujet gewählt wurde, freut ihn - so kommt man als Jungfrau zum sehr willkommenen Kind, denn „das Jazzfestival Saalfelden ist der wichtigste kulturelle Motor in der Region“.
Und wie ist das nun mit den Sprüchen „Didl Dum Didl Dey“ und „Tätarä“? Ein Festival von unserem Rang kann sich schon Selbstironie leisten“, sagt Mario Steidl. Das sichere Aufmerksamkeit auch in Saalfelden, wo man – so erinnert sich Steidl – „früher zum Jazz Tschinbumm-Musik sagte“. Der Tourismusdirektor ernsthaft: „Man braucht ein Sujet, das auch am Ort selbst gut ankommt.“ Die „Verbindung aus Weltoffenheit in Kombination mit den Wurzeln“ – das bringe den Tourismus auch sonst weiter in der Region.