Rhythmus und Revolution
IM PORTRÄT / EMILIANO SAMPAIO
08/11/22 In irgendwelche Schemata hat sie noch nie gepasst – die Lungau Big Band. Dennoch kann es eine besondere Art kulturellen Austauschs werden, wenn am Freitag (11.11.) im Jazzit ein Brasilianer mit Hang zu Jazz und Revolution in der Klassik auf die einheimischen Erz-Musiker trifft.
Von Heidemarie Klabacher
„Der 37-Jährige Gitarrist und Posaunist Emiliano Sampaio kommt mit einem Koffer voller Ideen nach Salzburg“, heißt es vollmundig, wenn auch etwas einheitlich, auf Websites und Pressetexten. Tatsächlich ist die Begegnung vielversprechend. Der Gitarrist, Posaunist, Arrangeur und Komponist Emiliano Sampaio, geboren 1984 in Brasilien, studierte Musik in seiner Heimatstadt Sao Paulo. Seit 2012 lebt er in Österreich, weiterstudiert und promoviert hat er an der Kunst Universität Graz.
„Die Welt hat sich im letzten Jahrhundert drastisch gewandelt und wir suchen nun nach neuen Formen sozialer Organisationen, neuer Lebensformen, neuer Formen der Familienverfassung, neuer Formen von Beziehungen“, schreibt der Musiker im Abstract zu seiner Doktorarbeit der auf KUG Graz. Man liest, als Musikkritiker mit Hang zum Klassischen zwischen Symphonie und Streichquartett, geradezu Revolutionäres: „In der Musik war der Aufbau des symphonischen Orchesters begründet auf der Hierarchie, wo die Komponisten und Dirigenten die Macht hatten und die Musiker sollten einfach spielen, was in der Partitur geschrieben steht.“ Anders Sampaio: „Durch die Erfahrung der Verwendung von Improvisationselementen im sinfonischen Bereich ewarte ich, neue ästhetische Möglichkeiten im Jazz Symphonischen Bereich zu eröffnen.“ Ihm gebe die Arbeit mit Musikern mit unterschiedlichen Hintergründen in großen Ensembles Möglichkeit zum künstlerischen Experiment. Es gehe im darum, „neue musikalische Möglichkeiten durch den Einsatz von Improvisationselementen für Jazz und klassische Musiker in einem Mixed-Large-Ensemble-Kontext zu erfahren“. Nach „vier Jahren intensiver Arbeit“ hat Sampaio seine Dissertation mit dem Titel „Restructuring Hierarchy Within and Between Jazz and Classical Orchestras“ im Mai 2021 an der Kunst Uni Graz abgeschlossen.
Dass die Gedanken des Wissenschaftlers nicht im Abstrakten geblieben sind, zeigt der Erfolg des Musikers: Emiliano Sampaio hat als Bandleader mit seinem Trio, seinem Nonet und seiner Big Band inzwischen elf Alben veröffentlicht. Seine Musik wird auf namhaften Jazzfestivals in Brasilien, Europa und Australien gespielt. Zu nennen sind etwa das Savassi Jazz Festival in Brasilien, in Österreich Most und Jazz sowie Session Works Fest, das Bayerisches Jazz Weekend, das Mikulassky Jayyovy Festival in der Slowakei, das ungarische Lamantin Jazz Fest oder das Perth Jazz Fest in Australien.
Als Komponist und Instrumentalist erhielt Emiliano mehrere Auszeichnungen wie Comp Graz Composition Contest und mehrere Downbeat Student Awards in den Kategorien Best Jazzgitarrist, Bester Blues/Pop-Gitarrist, Bester Arrangeur und Bester Komponist für großes Ensemble. Seine beiden letzen Alben aus 2017 bekamen vom Downbeat-Magazin vier Sterne und wurden in die Liste der besten Alben des Jahres aufgenommen.
Als Dirigent, Arrangeur und Komponist arbeitet Emiliano Sampaio mit namhaften Formationen in Europa und Australien zusammen, dazu zählen die HR Frankfurt Radio Big Band, Wayjo Perth, Toshi Clinch Big Band Melbourne, das Jugendjazzorchester Sachsen oder CCJO Köln. Das niederländische Metropole Orkest zählt ebenso zu seinen Partnern wie das JazzKombinat Hamburg, Fette Hupe Hannover, die schweizerische Uptown Big Band ebenso wie die Big Band Kopenhagen oder die Croatian Radio Band.
Lungau Big Band und Emiliano Sampaio spielen am Freitag (11.11.) im Jazzit – www.jazzit.at; am Samstag (12.11.) wiederholen sie das Konzert im Winer Porgy & Bess – www.lungaubigband.com
Emiliano Sampaios Abstract auf der KUG – doctorartium.kug.ac.at
Bild(er): Simon Reithofer