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Ein exzellenter Übertreibungskünstler

TODESFALL / ANTON THUSWALDNER

04/03/21 Anton Thuswaldner, Bildhauer in Kaprun. Man hat diesen Künstler, der am Dienstag (2.3.) im Alter von 92 Jahren verstorben ist, erstaunlich wenig wahrgenommen. Er war einer, der sich nicht eingelassen hat auf Schienen der Kunstförderung oder auf das eitle Kokettieren mit den Sympathien der Galeristen. Ein Eigenbrötler mit wohl begründetem Selbstbewusstsein.

Von Reinhard Kriechbaum

„Eine seiner Arbeitsstätten war der Garten des Elternhauses in Laas, Kärnten“, erzählt Werner Thuswaldner, der Bruder des Verstorbenen. „Auf Tischen standen Marmorskulpturen, die gerade im Entstehen waren. Eine ältere Frau, die sich zu den Gebildeten des Dorfs zählte, betrachtete die Kunstwerke und sagte anerkennend zum Künstler: 'Du bist ja ein ganzer Beethoven!' Betonung auf dem o.“

Vielleicht Ironie des Schicksals, dass Anton Thuswaldner ausgerechnet mit Mozart bekannt wurde. Auch unter wenig kunst-affinen Menschen: Es war im Mozart-Jahr 1991. Hemmungslose Vermarktung des Genius loci war angesagt. Was ist dazu Anton Thuswaldner eingefallen? Er ließ Einkaufswagen in Menge herbeischaffen – angeblich siebenhundert (was wir allerdings bezweifeln) – und hat das Schwanthaler-Monument auf dem Mozartplatz bis oben hin zugestellt. Das war so anschaulich wie nur. Entsprechend hoch waren Aufmerksamkeit und Empörung, die diese Kunstaktion nach sich zog.

Nebenbei nur erwähnt: Auch Beethoven blieb nicht verschont. 1984 hatte Thuswaldner dessen bronzenes Denkmal in Bonn mit „verchromten Bäumen“ und Stahldrähten in eine drehkegelförmige Skulptur verwandelt.

Nun war Anton Thuswaldner aber beileibe kein Künstler, der auf Aktionismus setzte, wenn auch der öffentliche Raum eines seiner Spielfelder war – nicht unlogisch für einen Bildhauer, der auch große Dimensionen handwerklich zu beherrschen verstand.

1929 in Klagenfurt geboren, absolvierte er eine klassische Ausbildung bei Jakob Adlhart an der Bildhauerschule Hallein. Dann vertiefte er sich an der Privatschule von Fritz Behn in Ehrwald (Tirol) ins Metier. Ein Leben als Bildhauer, noch dazu in der tiefsten Provinz? Da war zuerst einmal das gefragt, was man so schön „Brotberuf“ nennt. Ab 1954 war Anton Thuswaldner also auf Jahrzehnte bei den Tauernkraftwerken in Kaprun beschäftigt – als ein Landvermesser, der er auch als bildender Künstler war. Wie aus dem Hinterhalt hat er von Kaprun aus, wo er lebte, die Welt beobachtet und sich Reime aufs Ungereimte gemacht.

Ein charakteristisches Stilmittel waren in Stein gehauene Zahlen. Diese haben sich oft nicht erschlossen, jedenfalls nicht unmittelbar. Mit einer sochen Skulptur in Form einer Zahlenstein-Skulptur hat er sich in Salzburg, in diesem Fall auf dem Kapitelplatz, ziemlich unbeliebt gemacht: Schüler hatten sich das Ding angeschaut, nachgerechnet, und die Zahlrensymbolik dahinter dechiffriert. Da stand doch wirklich Arschlöcher! Robert Menasse damals im „Falter“ über den vermeintlichen „Skandal“: Da schlage in Salzburg wieder einmal „die geballte Kraft der Kleinbürgerlichkeit, der Kunst- und Kulturfeindlichkeit“ zu. Vor allem FPÖ-Lokalpolitiker wüteten dagegen, und sie fanden genügend Brüder und Schwestern im Ungeiste. Anton Thuswaldners Zahlenstein war kein langes Überleben in der Innenstadt geschenkt...

Mit seinen Skulpturen hat Anton Thuswaldner jedenfalls so manchem öffentlichen Ort einen Stempel aufgedrückt, und selbst in Kreisverkehren und an Radwegen setzte Thuswaldners Kunst Akzente weit über dem hierzulande üblichen künstlerischen Maßstab. Auf die beflissene Aufmerksamkeit in Ausstellungsräumen konnte er gut verzichten. Der Preis dafür: Als Solitär am Horizont wurde er wahrgenommen, als ein durchaus schrulliger Zeitgenosse.

„Wenn Toni nach Hause kam, hatte er immer viel zu Erzählen“, erinnert sich Werner Thuswaldner. „Oft waren es haarsträubende, selbsterlebte Begebenheiten von hohem Unterhaltungswert. Seine Zuhörerinnen und Zuhörer lachten Tränen. Man wusste, dass nicht alles für bare Münze zu nehmen war. Aber gerade das machte die Qualität der Schilderungen aus. Er war ein exzellenter Übertreibungskünstler, lang bevor Thomas Bernhard das Wort im Duden kennengelernt hatte.“

Bilder: thus-art.net

 

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