Erfreulich unzuverlässiges Terrain
IM PORTRÄT / RAURISER LITERATURTAGE / PREISTRÄGER
26/02/21 Den Rauriser Literaturpreis 2021 bekommt Benjamin Quaderer für seinen Debütroman Für immer die Alpen. Der Rauriser Förderungspreis 2021 zum Thema Abstand geht an Martin Mader für seinen Text Abstand ist Überall.
Von Heidemarie Klabacher
„Sechshundert Seiten, die vor fantastischen Einfällen und außergewöhnlichen Stilexperimenten bersten: Benjamin Quaderers Roman Für immer die Alpen ist buchförmige Performancelust.“ Das schrieb die Süddeutsche Zeitung vor gut einem Jahr über den Roman-Erstling, der nur wenig später auf der Short- und alsbald auf der Gewinner-Liste des Rauriser Literaturpreises landen sollte.
Von einem „mit Einfällen vollgestopften Hochstapler- und Liechtensteinroman, in dem es nebenbei um den Diebstahl von Bankdaten geht“ schwärmt DIE ZEIT. Und die Jury zum Rauriser Literaturpreis freut sich über die Entführung auf „durch und durch unzuverlässiges Terrain“: „Genau wie dessen Held erfindet sich das Buch selbst immer wieder neu“, schreiben die Juroren Tanja Graf, Werner Michler und Anne-Sophie Scholl. „Es beginnt als klassischer Schelmenroman, mutiert zum Finanzthriller, zum postmodern schillernden Vexierstück und entpuppt sich schließlich als eine Art invertiertes Nationalepos des fürstlichen Kleinstaates, dessen existenzsichernde Adern nach außen gestülpt die globale Welt umspannen – sei es als Finanz- und Datenströme oder als kühne Erzählstränge.“ Das klingt vielversprechend, das Resümee endgültig: „Das Debüt zeugt von großer literarischer Reife. Es ist ein Wurf.“
Benjamin Quaderer, „Vorarlberger, Liechtensteiner, Berliner“, wurde 1989 in Feldkirch geboren, ist in Liechtenstein aufgewachsen und lebt in der Nähe von Berlin. Er studierte Literarisches Schreiben in Hildesheim und in Wien, war Mitherausgeber der Literaturzeitschrift BELLA triste und 2014 in der künstlerischen Leitung des Prosanova Festivals für junge Literatur. Für immer die Alpen, erschienen im Luchterhand Verlag, ist sein erster Roman. Für einen Auszug daraus erhielt er bereits den 2. Preis beim „Open Mike 2016“ und ein Arbeitsstipendium des Berliner Senats. Nun also folgt im April der mit 10.000 Euro dotierte vom Land Salzburg vergebene Rauriser Literaturpreis.
Das Land Salzburg und die Marktgemeinde Rauris vergeben den Rauriser Förderungspreis. 2021 war das vorgegebene Thema „Abstand“. Gewonnen hat Martin Mader für seinen Text Abstand ist Überall. Dazu die Jury bestehend aus Zita Bereuter, Christine Rechberger, Klaus Seufer-Wasserthal dazu: „In einem Mix aus drastischen und kryptischen, vor allem aber auch witzigen Sprachbildern nimmt uns das erzählende Ich mit in den Untergrund, in eine Fabrik, auf die Tanzfläche einer irren, wirren, völlig getriebenen Welt. Man möchte den Text laut lesen, sich dem eindrucksvollen Rhythmus ganz hingeben. Umgehend wird man beim Lesen erfasst von diesem reißenden Erzählstrom, der fast ohne Punkt und Komma dahinschnellt und dennoch so leicht und verspielt klingt, als hätte der Zufall mitgeschrieben. Tatsächlich ist nichts zufällig. Tatsächlich ist das beeindruckend. Tatsächlich ist Martin Mader eine äußerst beeindruckende neue Stimme.“
Martin Mader, 1987 in Innsbruck geboren, lebt in Salzburg und Linz. Er studierte Vergleichenden Literaturwissenschaft, Philosophie und Theaterwissenschaft. Neben literarischen Veröffentlichungen blickt er auf verschiedene künstlerische Projekte.Martin Mader arbeitet als Regieassistent und Dramaturg seit 2020 am Landestheater Linz.
Die fünfzigsten der Rauriser Literaturtage voriges Jahr sind vollständig der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen. Heuer versuchen die Veranstalter von 7. bis 11. April einen zweiten Anlauf. „Auch für Literaturschaffende waren die vergangenen Monate sehr herausfordernd. Umso wichtiger ist es, mit Stipendien und Preisen alle Sparten der Kultur zu unterstützen“, sagt Landeshauptmann-Stellvertreter Heinrich Schellhorn. Für den Rauriser Bürgermeister Peter Loitfellner zeuge der Förderungspreis, der je zur Hälfte vom Land Salzburg und der Marktgemeinde Rauris gestiftet wird, von „gemeinsamen enormen Zusammenhalt, wenn es um Literatur im Gebirge geht“. Seit 1971 haben 450 Autorinnen und Autoren aus zahlreichen Ländern in Rauris gelesen. Die überregionale Wirkung des Festivals sei, so die Verantwortlichen, auch mit dem Rauriser Literaturpreis verbunden: „Viele der Autorinnen und Autoren, die den Preis erhielten, haben in der Folge Karriere gemacht – darunter mit Herta Müller auch eine Nobelpreisträgerin.“