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2,8 Tonnen machen einen Unterschied

IM PORTRÄT / WILHELM SCHERÜBL

24/12/20 Rumpelkammer? Ein zu starkes Wort. Einer Domkirche nicht angemessen. Dennoch drängt es sich im Vorher-Nachher-Vergleich auf. Nach der Gestaltung des Altarraums im Grazer Dom durch den in Radstadt geborenen Künstler Wilhelm Scherübl herrschen Klarheit und Transparenz. Gute Schritte zur Transzendenz. Ein Flair von Leichtigkeit. Dabei sind allein mit dem Altartisch 2,8 Tonnen Basalt dazugekommen.

Von Heidemarie Klabacher

Ob die Christmetten-Besucher in Puch bei Hallein, Bischofshofen oder St. Johann im Pongau alle genau wissen, wer ihren Altarraum gestaltet oder ihre Kirchenfenster entworfen hat? Wem der Name Wilhelm Scherübl nicht sofort einfallen sollte, verdient k(l)einen Tadel. Wir wissen ja auch nicht, wer etwa die Fresken in der Maximilianskirche in Bischofshofen geschaffen hat. Die sind Jahrhunderte alt. Und ebenso untrennbar mit dem Raum verbunden, wie gleich daneben Scherübls schlichte Seitenaltäre, die spätgotisch-barocke Skulpturen behausen. Seit fünf Jahren. Als wäre es seit immer.

Zur Einheit verschmelzen Innen und Außen mittels Scherübl-Fenster im St. Johanner Dom (Bild rechts oben). Violett und Gelb sind die Farben. Das am Anfang des Zyklus dominierende Violett weicht von Fenster zu Fenster – bis das dem Altarraum nächstliegende in lichtem Gelb erstrahlt.

Wilhelm Scherübl, 1961 geboren in Radstadt, studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien und machte 1990 sein Diplom bei Bruno Gironcoli. Die Website listet Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen, Kunstprojekte im öffentlichen Raum oder sakrale Gestaltungen in Österreich zwischen Wien und Dornbirn (mit zahlreichen Stationen über die Jahre in der Stadt Salzburg) und in Europa zwischen Stockholm oder Venedig, Bratislava oder Chartres. Scherübl arbeitet nicht nur in Marmor und Basalt. Legendär sind seine Installationen und Interventionen mit lebenden Pflanzen, besonders Sonnenblumen.

Die Eingangsfrage könnte man übrigens genauso gut in der Pfarrkirche Oberperfuss in Tirol oder in Niederösterreich in Neuguntramsdorf und Altenburg stellen. 2019, 2018 und 2013 hat Scherübl dort die Altarräume gestaltet. In Stift Altenburg ist sogar das Messgeschirr von ihm.

Nun also der Grazer Dom. Wie geht man an einen so dominierenden und kunsthistorisch so bedeutenden Raum „gestaltend“ heran? Er habe über die Jahre Erfahrungen mit sakralen Projekten gesammelt, ein sicheres Vokabular erarbeitet, sinniert der Künstler, um sogleich zu betonen: „Das muss man alles vergessen und sich jedes Mal wieder neu aneignen.“ Wilhelm Scherübl wurde zu einem Wettbewerb der Diözese Graz-Seckau im Rahmen der umfassenden Dom-Restaurierung eingeladen.

Ein Altar braucht eine gewisse „Mindestgröße“, um „die Sache inszenieren zu können“, sagt Scherübl salopp. 2,8 Tonnen Basalt sind es im Grazer Dom geworden. Dieser Altar, „ein selbstbewusstes Teil“, stehe „selbstverständlich da, ohne sich vorzudrängen“. Bilde gedanklich eine Horizontale. Der Ambo (das Lesepult), aus dem gleichen Material, an neuer Stelle aufgestellt ein paar Stufen tiefer und ein paar Meter näher an der Gemeinde, könne als Horizontale gelesen werden.

Der Altar ist als horizontaler Teil des Rohblockes und des Kreuzes zu denken und der Ambo als vertikaler, aufgerichteter Teil des Basaltblockes, welcher Himmel und Erde verbindet. Stein verweise für ihn auf eine „andere Zeitdimension“ aber auch auf „Beständigkeit und Härte“. Der Rohblock, Seiser-Basalt aus Südtirol, dunkles Grau, helles Schwarz mit lebendigen weißen Einsprengseln und Adern, wog 5,8 Tonnen. Der Altar allein hat immer noch gut 2,8 Tonnen. „Das braucht es auch, um eine neue Mitte zu schaffen, um gut verankert zu sein.“

Die überwältigende Wirkung des neu gestalteten Sakralraumes geht aber nicht allein von dem aus, was dazu gekommen ist, also Altartisch, Ambo und – recht bescheiden im Hintergrund – der schliche, skulptural wirkende Bischofsstuhl aus grauem Holz. Die neue Weite und Offenheit danken sich auch dem, was entfernt worden ist, etwa die beiden schon immer recht unmotiviert herumstehenden Altarschranken mit ihren dicken Säulchen oder das vordere junge (nicht das prachtvolle alte!) Chorgestühl.

Für die Schriftlesungen müssen die Lektoren und Zelebranten jetzt ein paar Schritte hinunter und auf die Gläubigen zugehen. Mit dem Lesepult, dessen Fläche sich zur Mitte hin leicht schräg zuspitzt, scheint der Künstler besonders glücklich zu sein. „Das Buch liegt so schön...“ Wichtig war ihm der Verzicht auf die Altarschranke, erzählt Wilhelm Scherübl beim Lokalaugenschein im Gespräch mit DrehPuntkKultur, „so konnte eine direkte Verbindung zwischen Altarraum und Kirchenschiff hergestellt werden“. Er sei für einfache klare Lösungen und für edles Material in guter handwerklicher Verarbeitung. Er versuche, so der Künstler, das „Genialische“ in den Hintergrund und sich selbst in den Dienst der Sache zu stellen. Beim Aufstellen von Altar und Ambo konnte der Künstler – Corona-Quarantäne – nicht dabei sein. Am Tag der Altarweihe am 13. Dezember fehlte dann – Corona-Quarantäne – der Bischof.

www.scheruebl.at
Bilder: dpk-klaba
Zum DrehPunktKultur-Porträt
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