Auch weiterhin ein kritischer Geist
HINTERGRUND / DACHVERBAND
05/06/15 Es sei Zeit für Veränderung, findet jedenfalls Tomas Friedmann. Deshalb legt er mit 1. Juli nach zehn Jahren sein Amt als Vorsitzender im Dachverband Salzburger Kulturstätten nieder. Der Vorstand entscheidet demnächst über die Nachfolge.
Seit 2005 ist der Leiter des Literaturhauses Salzburg im Vorstand des Dachverbands Salzburger Kulturstätten aktiv. Im Jahr 2006 übernahm er den Vorsitz der Interessensvertretung und wurde seitdem von der Generalversammlung immer wieder gewählt. Nun also wird er freiwillig dieses mit viel Engagement ausgeübte Ehrenamt zurückzulegen.
Die Solidarität unter den Kulturschaffenden sieht Friedmann als einen der größten Erfolge der vergangenen Jahre. Nach zehn Jahren zieht er eine Bilanz für den Dachverband, die sich sehen lassen kan: Die mehrjährigen Förderverträge, die Einführung des ”kidskultplan”, das Projekt ”Stolpersteine”, die Aktion ”Hunger auf Kunst und Kultur” (gemeinsam mit Armutskonferenz, Theater ecce und Laube), das Lobbying für neue Kulturhäuser in den Bezirken, die themenspezifischen Kulturfrühstücke (gemeinsam mit der Initiative Kulturstadt), die österreichweit erste AK-Untersuchung ”Arbeitsklimaindex Kulturbetriebe”, die verstärkte Vernetzung mit Bildungs- und Sozialinitiativen: All das sind Dinge, die der Dachverband mit seinem Vorsitzenden Tomas Friedmann eingeführt oder maßgeblich mit auf Schiene gebracht hat.
Mit gutem Grund verweist Friedmann auf das konstruktive Gesprächsklima inklusive Valorisierungen in der Stadt Salzburg – laut Kulturleitplan, den Friedmann auch dem Land empfiehlt. Apropos: Wenig erfreulich sei die Landespolitik, die seit Jahren von Reformstaus, Kürzungsplänen (statt bedarfsorientierten Kulturbudgets) und Kommunikationsschwächen gezeichnet sei. Die Kulturpolitik des Bundes falle mehr auf durch Förderfortschreibungen, ein Ost-West-Gefälle und Hochkultur-Subventionierung anstelle von stärkeren Basis-Investitionen, intensiven Diskursen und Mut zur Veränderung. Dem Verdacht, das Kulturministerium in Wien könnte sich überhaupt aus der Verantwortung für Länder und Gemeinden davonstehlen wollen, sei Widerstand entgegenzubringen, so Friedmann.
Tomas Friedmann ist überzeugt, dass Dachverband und Kulturstätten Salzburgs Kultur-Bewusstsein positiv beeinflussen und entscheidend mitprägen, obwohl er bei Verantwortlichen erschreckend oft Unkenntnis ortet sowohl über die Arbeit in Institutionen, über Künstlerinnen und Künstler sowie deren Schaffen als auch über Kunst, Vermittlung und Kulturgeschichte allgemein. ”Manche Entscheidungsträger scheinen den Unterschied zwischen Kunst, Kultur und Tourismus- bzw. Freizeitwirtschaft nicht zu kennen oder verstehen zu wollen.” So entstehe manchmal der Eindruck, dass die Politik weniger zur Förderung der Kunst bereit sei als zur Ankurbelung des Hotel- und Gastronomiegewerbes. Trotzdem müsse man fairerweise sagen, dass es in Österreich ein brauchbares Fördersystem mit Preisen, Stipendien und in Summe arbeitsfähigen Kulturbudgets gibt, jedoch die Vergabe nicht (mehr) stimmt, weil man zu sehr in der Pflicht zur Tradition und im kulturellen Erbe verhaftet sei anstatt sich entscheidungsfreudig und neugierig der Gegenwart und Neuem zu öffnen. ”Kunst dient nicht zur Behübschung eines Wochenendes”, sagt Friedmann, ”und Qualität ist nicht unbedingt dort, wo die Masse hin will”. Das sei bekannt, dennoch fließe öffentliches Geld gern in konsumierbare Unterhaltung statt in aktuelle Kunst und deren Rezeption, um die sich viele (freien) Kulturstätten bemühen.
Für Salzburg wünscht sich der scheidende Dachverband-Vorsitzende mehr und mutigere Auseinandersetzungen mit Know-how und Niveau. Ein Anliegen, das er seit vielen Jahren vertritt: dass das Land das freie Kulturbudget bis 2020 verdoppelt. , bis 2020 die Verdoppelung des freien Landeskulturbudgets. Friedmann hielte das etwa durch zweckgebundene Kulturtaxen auf Übernachtungen, wie in Berlin und Hamburg üblich, für finanzierbar. Auch eine größere Wertschätzung gegenüber der Gegenwartskunst sähe Friedmann gerne in den >Köpfen der Salzburger. ”Auch wenn ich mich nach zehn Jahren vom Vorstand – nicht vom Dachverband – zurückziehe”, so betont Tomas Friedmann, ”werde ich mich trotzdem weiterhin einmischen: als engagierter Literaturhaus-Leiter und kritischer Geist.” (Dachverband/dpk)
Bild: Dachverband/wildbild/Maximilian Pataly-Fejes