Düster wie nie zuvor
HINTERGRUND / AKM
26/01/20 Die AKM vertritt 27.000 Menschen in Österreich. Was sie den Künstlern an Tantiemen ausbezahlt, das ist ein verlässlicher Gradmesser, wie es den Musikschaffenden und den Kreativen im Lande geht. Die Zahlen klingen dramatisch. Minus zwanzig Prozent für das erste Covid-19-Jahr 2020.
Urheber und Musikverlage erhalten im Lauf dieses Jahres die für das Vorjahr anfallenden Tantiemen ausbezahlt. Das sind diesmal 85,2 Millionen Euro, exakt 20,2 Prozent weniger als fürs Jahr zuvor. Logischerweise ist die Sparte Live-Aufführungen mit einem Einnahmeminus von siebzig Prozent am stärksten betroffen. Diese Zahl nennt die AKM, die in Österreich für die Musikrechte und deren Abgeltung zuständig ist, in einer aktuellen Presseaussendung.
Aufschlussreich ist der Blick auf alle (im Jahr 2020 noch 28) EU-Staaten. Demnach musste die Kultur- und Kreativwirtschaft in der EU einen Einnahmenrückgang von 199 Milliarden Euro hinnehmen, das ist ein Minus von 31 Prozent. Damit seien die Verluste in dieser Branche höher als jene der Tourismusindustrie (-27%) oder der Automobilindustrie (-25%). In den sieben Vor-Corona-Jahren (2013-2019) hatte sich der Ertrag aus der Kultur- und Kreativwirtschaft EU-weit um 93 Milliarden Euro, das sind fast 17 Prozent, erhöht.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sind in allen Bereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft spürbar, besonders hart davon betroffen sind die Bereiche Darstellende Kunst (minus 90 Prozent) und Musik mit einem Einbruch von 76% im Vergleich zum Vorjahr. „Obwohl Onlinenutzungen von Musik gestiegen sind, konnte das Fehlen von Live-Veranstaltungen in keinster Weise kompensiert werden“, beobachten jene, die den so deutlich kleiner gewordenen Einnahme-Kuchen an die Schaffenden verteilen.
Die aktuellen Aussagen der AKM stützen sich nicht nur auf die eigenen Einnahmen bzw. Tantiemenzahlungen, sondern auch auf eine Erhebung des internationalen Netzwerks Ernst & Young (EY). Für diese Studie nahm man 32 Verwertungsgesellschaften aus ganz Europa in den Blick, die zusammen über eine Million Urheber und Rechteinhaber vertreten – von Musik- und Literaturschaffenden über bildende Kunstschaffende bis hin zu Filmregie.
Diese Untersuchung macht auch die Dimension der Kultur- und Kreativwirtschaft innerhalb der Gesamtwirtschaft anschaulich. Demnach seien in diesem Zweig mehr als doppelt so viele Menschen tätig wie in der Telekommunikation und der Automobilindustrie gemeinsam. Sie erwirtschaften freilich nur 4,4 Prozent des EU Bruttoinlandsprodukts. Immerhin sei die Kultur- und Kreativwirtschaft von der Pandemie „stärker betroffen als der Tourismus und fast genauso stark wie der Luftverkehr.“
Im Bereich der Verwertungsgesellschaften, die Tantiemen an die Kulturschaffenden auszahlen, bedeutet der Rückgang an Musiknutzungen einen Umsatzverlust von ca. 35 Prozent. „Der Verkauf von physischen Tonträgern ist weiterhin rückläufig und liegt ebenfalls bei minus 35 Prozent, während die digitalen Umsätze nur um niedrige 8 Prozent wachsen werden“, so die AKM. Entscheidend sei also die Wiederaufnahme des regulären Produktions- und Spielbetriebs.
Peter Vieweger, Präsident AKM: „Die Lage für Kreativschaffende ist so düster wie nie zuvor. In Anbetracht der herausragenden wirtschaftlichen Bedeutung des Kultur- und Kreativbereichs für die europäische und auch österreichische Wirtschaft fordern wir adäquate Unterstützung für die UrheberInnen und Musikverlage, damit sie nach der erfolgreichen Bekämpfung der Pandemie ihr kreatives Potential neu entfalten und mit ihrem künstlerischen Schaffen die Gesellschaft wieder zusammenbringen können.“
Für 2021 rechnet die AKM erneut starke Einbußen, man befürchtet ein Minus von nochmal 86,3 Millionen Euro (minus 9,8 Prozent gegenüber 2020). Gegenüber dem letzten Vor-Corona-Jahr 2019 werden Urheber von Musikwerken wohl um deutlich mehr als ein Viertel der Einnahmen umfallen. Mira Lu Kovacs ist eine österreichische Sängerin, Komponistin und Performerin: „Die Auswirkungen dieser Krise auf die Musikindustrie beginnen gerade erst zu greifen.“ 2020 sei vielleicht gar nicht das schwierigste Jahr für die Musikschaffenden gewesen. „Die nächsten Jahre werden für meine Kolleginnen und mich erst zeigen, wie dramatisch und tiefgreifend die Folgen dieser Pandemie wirklich sind.“
Das sieht auch Gernot Graninger, Generaldirektor AKM, so. Er hofft auf das aktuell zu reformierende Urheberrecht: „Neben adäquaten finanziellen Mitteln zur Überbrückung der Krise spielen die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Wiederaufbau der Kultur- und Kreativwirtschaft und das wirtschaftliche Überleben der Rechteinhaber eine zentrale Rolle.“ Diese bedürften dringend eines zeitgemäßen und effektiven Schutzes ihrer Leistungen, „vor allem im immer stärker wachsenden digitalen Umfeld“.
Die Zusammenfassung der Studie