Hauser, Brandauer und Jager
HINTERGRUND / BERGPUTZER
23/01/21 Der Felssturz, der am Samstagmorgen auf das Haus für Stadtgeschichte niederprasselte und starke Zerstörungen anrichtete, lenkt das Augenmerk wieder auf einen Beruf, der nicht wirklich spezifisch salzburgisch ist, aber hier jedes Jahr besonders ins Auge sticht: die Bergputzer.
Von Reinhard Kriechbaum
Bergputzer beschäftigen auch Straßenmeistereien und die ÖBB – aber wenn in Salzburg immer am Beginn der warmen Jahreszeit rund um die Ursulinenkirche und die Gstättengasse der Verkehr jeweils kurz angehalten wird, dann wandern viele neugierige Augen nach droben: Da kann man den Bergputzern bei der Arbeit zusehen.
In Salzburg haben sie besonders viel zu tun, entlang der oft senkrecht abfallenden Wände von Mönchs-, Festungs- und Kapuzinerberg, aber auch beim Rainberg und am Hellbrunner Berg 300.000 Quadratmeter Fels werden jedes Jahr durch die Bergputzer überprüft. Mit Hammer und Brechstange wird loses, abgesprengtes Gestein abgeklopft – eine schwere, Kräfte raubende Arbeit. Rund achtzig Kubikmeter Abräummaterial wird pro Jahr in Kübeln abtransportiert.
Es geht nicht nur ums Aufspüren von bereits locker gewordenem Gestein. Nicht wenig Aufwand erfordert auch das Beseitigen von Wurzeln junger Bäumchen bzw. der regelmäßige radikale Rückschnitt der Büsche und Bäume in den Felswänden. Weder darf der Wurzeldruck der Pflanzen Spalten und Klüften vergrößern, noch sollte Wasser in den Fels eindringen. Durch die Ausdehnung beim Gefrieren wird ja auch Fels losgesprengt. „Im Jahr schneiden wir Sträucher auf einer Fläche von 32.400 Quadratmeter, das sind etwa zwölf Fußballfelder“, erklärt ein Bergputzer.
Besonders gefährlich und stark mit Klüften durchsetzt war seit jeher der Fels des Mönchsberges zwischen dem Sigundstor (Neutor) und dem Klausentor. Auch der brüchige Kapuzinerberg-Dolomit birgt vor allem im Nordabfall und Westabfall seit Jahrhunderten besondere Gefahren, wie man erst heute kurz nach sechs Uhr morgen an der Gstättengasse hat bestätigt bekommen.
Es gab einen markanten Felssturz in der Altstadt nahe dem äußeren Gstättentor: Am 16. Juli 1669 zerstörten Felsmassen nicht nur die Markuskirche und das Seminarium Alumnorum (das Priesterseminar) und dreizehn Häuser „in der Gstätten“ (Fischer von Erlach hat später sowohl die neue Markus-/Ursulinenkirche erbaut als auch das Priesterseminar, letzteres aber auf der anderen Seite der Salzach: der heutige Komplex rund um die Dreifaltigkeitskirche). 230 Menschen kamen damals bei dieser nächtlichen Katastrophe ums Leben.
Das war ein einschneidendes Ereignis, aber Bergputzer hat es in Salzburg schon zuvor gegeben. Erstmals wird der Beruf 1574 urkundlich erwähnt. Seit der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert fanden Überprüfungen im Auftrag der Salzburger Bürgerschaft im mehrjährigen Abstand statt. Nachdrücklich wurde den Stadt-Salzburgern die Wichtigkeit auch durch einen Unglücksfall 1768 im Lungau in Erinnerung gerufen: Dort donnerte in der Christnacht der gesamte Hundstein-Gipfel im Lignitztal ins Tal und verschüttete weite Almflächen. In einer eigenen „Hofrathsverordnung“ des Jahres 1778 wurde festgelegt, dass der Berg jährlich zu besichtigen, zu befahren und zu säubern sei.
Seither also sind die Bergputzer jedes Jahr unterwegs. Gleich 1779 konnte über der Linzergasse – also nicht weit weg vom heutigen Haus für Stadtgeschichte, das heute Samstag in den frühen Morgenstunden beschädigt wurde – ein zweihundert Zentner schwerer Stein gezielt zum Absturz gebracht und damit erhebliches Unheil vermieden werden.
Die ersten Bergputzer, als kühne Helden angesehen, hießen angeblich Hauser, Brandauer und Jager. Bis heute haben sich diese Namen gehalten, denn es hat sich als praktisch erwiesen, die Seilschaften so zu benennen. Da wissen die betreffenden Seil-Sicherer droben gleich, welche Bergputzer mehr oder weniger Seil benötigen. Das ist auch im Funkgeräte- und Handy-Zeitalter höchst praktikabel.
Als Bergputzer engagierte man früher gerne Halleiner Bergknappen. Die kannten sich aus im steinernen Metier. Die Felsputzarbeiten wurden seit 1778 im Auftrag der „Hohen Salzburger Landschaft“ ausgeführt. Nach der Säkularisation des Erzbistums im Jahr 1816 wurden sie dann vom k.k. „Kameral-Ärar“ übernommen, wobei jeweils ein Drittel der Kosten von der Stadtgemeinde beglichen wurde. Seit 1919 ist der Magistrat Salzburg allein für die Aufgabe des Felsputzens zuständig. - Eigentlich gehörten die Salzburger Bergputzer längst aufgenommen in die österreichische UNESCO-Liste des immateriellen Kulturgutes.