Auffällig unauffällig
REPORTAGE / KUNST AM BAU (2)
22/06/10 Wenn das Fußballpublikum ins Kleßheimer Stadion drängt oder aus diesem herausquillt, wird es die weißen Steinscheiben wohl eher nicht als Kunstobjekte wahrnehmen. Aber das Unterschwellige, das Subkutane ist wohl auch ein Aspekt von Kunst im öffentlichen Raum.
Von Reinhard Kriechbaum
Nicht alles, was „Kunst am Bau“ ist, wird tatsächlich unmittelbar als solche wahrgenommen. Die zweihundert kreisrunden marmornen Scheiben, die Sigrid Kurz und Karl-Heinz Klopf vor dem Kleßheimer Stadion auf dem Pakplatz und in die Wiese gelegt haben, sind ein Beispiel für eine absolut unauffällige Kunst-Intervention. Gut so: Man will ja nicht andauernd mit der Nase auf die Kunst gestoßen werden.
Warum war es eigentlich notwendig, „Kunst am Bau“ auf neue Geleise zu stellen? Ursprünglich war es so, dass bei vom Land errichteten Bauten ein gewisser Prozentsatz des Baubudgets in die künstlerische Ausgestaltung ging. Das hat einmal besser, einmal schlechter funktioniert (schlechter dann, wenn die Baukosten unerwartet stiegen und die Mittel knapp wurden). Und dann hat es plötzlich begonnen, gar nicht mehr zu funktionieren: als nämlich das Land damit begonnen hat, Bauvorhaben an private Bauträger zu übertragen und die Objekte zurück zu leasen. Das spart manchmal einiges Geld – aber man kann natürlich nicht von privaten Bauträgern verlangen, dass sie in (öffentliche) Kunst investieren.
Seit drei Jahren ist die Sache so geregelt: Aus dem Budgets für Hochbau, Straßenbau und jenem für die Krankenanstalten werden jährlich je 100.000 Euro, also zusammen 300.000 Euro, in einen Fonds einbezahlt. Dieses Geld steht „Kunst am Bau“ zur Verfügung und kann flexibel eingesetzt werden. Es ist nicht unbedingt an konkrete neue Bauten gebunden. Der Fonds kann auch Rücklagen bilden. „Man kann sich Bauwerke und Plätze suchen“, sagt Dietgard Grimmer von der Landes-Kulturabteilung. Orte vor allem, wo dann auch die Betreiber hinter der Kunst stehen, die sie bekommen. Auch sie sitzen in der jeweiligen Jury.
Warum kommt eigentlich das Krankenhaus-Budget bei der Kunst ins Spiel? Das hat damit zu tun, dass hier eben besonders viel öffentliches Baugeld hinfließt. Entsprechend viel Kunst hat sich auf dem Krankenhaus-Areal angesiedelt. „Man könnte einen ganzen Tag im Krankenhaus verbringen“, sagt Dietgard Grimmer. Wer schon mal in der Chirurgie West auf den Aufruf zum Röntgen oder in einem der Akut-Behandlungsräume gewartet hat, kennt die (am Abend beleuchteten) Fotoarbeiten von Valie Export. 2001 hat sie Spitals-Angestellte porträtiert, diese Fotos überlagert mit architektonischen Elementen des Neubaus der Chirurgie West. Außerdem wurden Texte von H.C. Artmann und Rosa Pock hinein montiert. Idee war, dass man diese Kunstwerke auch von außen wahrnehmen sollte – aber dann war es doch nötig, Milchglas einzusetzen, zum Sichtschutz für die hier wartenden Patienten.
Nebenan, in der Radiologie, findet sich unter anderem ein Werk von Elisabeth Czihak. Sie hat Landkarten an die Wand gemalt – aber wirklich nur geographische Karten von Salzburg – alles Menschenwerk, jeder Hinweis auf Städte, Dörfer, Straßen, fehlt. Das hat wohl Hintersinn in einer Krankenhaus-Abteilung, wo man sich technisch höchst gefinkelt die Strahlen, also Naturkräfte, zu Diensten macht. Einen Raum weiter lässt Gottfried Höllwarth einen Marmorblock eine großen, grob behauenen Steinblock eine metallene Säule „umzingeln“.
An der Fassade der Chirurgie West fallen zwischen Parterre und erstem Stock dicke Kabelröhren auf. Sie liegen an der Fassade in einem gläsernen Kanal. Schlampig verborgene Infrastruktur fürs Haus? Falsch geraten, auch das ist Kunst. Leider solche, die nicht (oder nicht mehr) funktioniert. Serge Spitzer hatte eine Anspielung auf die gute alte Rohrpost im Sinn. Kunststoffkugeln hätten auf elektrische Impulse hin durch die Rohre fliegen sollen. Geht leider nicht. (Wird fortgesetzt)