Die „Qual“ der Wahl?
GASTKOMMENTAR
Von Wolfgang Stern
06/02/15 Im Prinzip kann es keine schlechte Schule mehr geben, daher soll die Wahl einer weiterführenden Schule nicht zur Qual werden. Deshalb kommt das Anführungszeichen nicht ganz unbegründet. Wir machen uns die Wahl sehr oft schwer, nicht selten kommt es zu Hause zu langen, oft ungemütlichen Diskussionen, die auch im Streit enden. Man sollte sich einiges überlegen, wie es nach der 4. Klasse der Volksschule weitergehen kann.
Alle Wege – es gibt ohnehin nur zwei – führen zum Ziel, wenn entsprechender Ernst dahinter steckt. Ich wage zu behaupten, dass es keine schlechte Schule mehr gibt. Daher ist geraten, den Sprung nicht über zu bewerten. Sicher haben Betroffene das Angebot genützt, sich ausführlich zu informieren (bei Informationstagen, Tagen der offenen Tür, Flugblättern, Schulpsychologen, Freunden,…). In 41 Jahren als Lehrer hat man viel erlebt, Positives und Negatives. Aus diesem Schatz an Erfahrungen kann ich einige Ratschläge geben, die so nicht immer zu hören oder zu lesen sind.
1 – Gehen Sie als betroffene Eltern sachlich und objektiv an das Thema heran. Diskutieren Sie in Ruhe mit Ihrem Kind und lassen Sie sich nicht von Nebensächlichkeiten leiten.
2 – Urteilen Sie nicht zu schnell über eine Schule wegen hohem Ausländeranteil oder schlechterer Bausubstanz,… Auch ausländische Kinder können zu Freunden werden.
3 – Kinder haben in vier Jahren Freunde gefunden. Kinder finden auch schnell wieder neue Freunde, sofern man sich infolge der Schulwahl trennt. Es ist daher nicht notwendig und sinnvoll, dem Druck des Kindes nachzugeben, mit einem Klassenkameraden gemeinsam die Schule zu wechseln.
4 – Zehnjährige haben im Prinzip keine Ahnung vom österreichischen Bildungssystem. Auch viele Eltern nicht. Daher ist der Rat des Volksschulpädagogen immer gut.
5 – Wenn Kinder noch verspielt sind und eine langsame Arbeitshaltung haben, sollten sie die Kindheit weiter voll genießen können und nicht an einer Überforderung leiden müssen. Ich wage zu behaupten, dass Nachhilfe meist mit einer falschen Schulwahl zu tun hat.
6 – Schauen Sie sich eine Schule in einer Pause an. Da können Sie sehen, wie es disziplinär umgeht, ob Aufsicht gemacht wird und wie die Schüler das Miteinander ausleben.
7 – Tage der offenen Tür kann man oft mit einem Schauspiel (Show) vergleichen. Wenn ein solcher Tag außerhalb des geregelten Unterrichtes stattfindet, ist eine Realitätsbezogenheit nicht gegeben.
8 – Besuchen Sie – nicht immer ist das möglich – den Unterricht. Lassen Sie bei Gelegenheit Ihr Kind schnuppern. Die Möglichkeit besteht sehr oft.
9 – Wenn Ihr Kind bestimmte Neigungen (für Sport, Musik,…) hat, dann wählen Sie eine entsprechende Schule. Dazu gibt es eigene Schulführer, die Aufschluss geben.
10 – Welches Zusatzangebot gibt es in einer weiterführenden Schule für Kinder (Schullandwochen, Schulsportwochen, Austausche, Exkursionen, Theater- und Konzertbesuche, eigene Aufführungen wie Vorspielabende, Musicalaufführungen,…) und für Eltern (diverse Aktionen eines gutes Elternvereines, Kurse für Eltern z.B. in EDV, Klassenabende,….)?
11 – Holen Sie sich den Rat bei Eltern, die ein Kind bereits in einer weiterführenden Schule haben.
Es hilft wenig, wenn ich nach der Matura sagen muss: „Nie wieder in diese Schule!“
12 – Es gibt überall sehr gute, überengagierte und andere Pädagogen. Schließen Sie nicht von einzelnen Pädagogen auf das Gesamtbild einer Schule. Man wird in jedem Beruf unterschiedliches Engagement der Mitarbeiter antreffen.
Nun kommen noch die Ferien. Sie dienen der Erholung und im konkreten Fall eines Schulwechsels zum Nachdenken. Viele Volksschüler kommen zur Matura über eine Neue Mittelschule und eine Oberstufenform von AHS oder BHS-Oberstufe. Andere gehen den direkten Weg. Noch einmal: Schätzen Sie Ihr Kind richtig ein. Standesdenken ist nicht immer richtig – und Nachhilfe kann teuer werden.