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Die Freiheit der Andersdenkenden

GASTKOMMENTAR

altVon Albrecht Haller

06/09/10 Am 3. September 2010 wurde im "DrehPunktKultur" ein Gastkommentar von Frau Univ.-Prof. i. R. Dr. Barbara Wicha veröffentlicht. Unter dem Titel Wie lange schauen wir noch zu? schreibt die Gastkommentatorin unter anderem:

"Thilo Sarrazin verbreitet mit seinem Buch 'Deutschland schafft sich ab' quasi wissenschaftliche und mehr als fragwürdige Thesen zu vererbter Intelligenz, muslimischen Einwanderern und jüdischen Genen. In Ungarn hatte die rechte  Partei FIDES unter Viktor Orbán die 2/3 Mehrheit und Glückwünsche des österreichischen Vizekanzlers zu 'seinem fulminanten Wahlsieg' eingefahren. Im November 2009 haben sich Schweizer mehrheitlich für ein Minarettverbot ausgesprochen. Und in Frankreich lässt Staatspräsident Nicolas Sarkozy Roma nach Bulgarien und Rumänien 'rückführen' – während die EU derzeit die Hintergründe 'klären' will.

Wie lange noch kann sich Europa, kann Österreich, können demokratische Parteien, können Medien und die Wähler sich das noch bieten lassen?"

Die Gastkommentatorin fragt also, ...

- wie lange eine offene Gesellschaft es sich noch bieten lassen kann, dass jemand - horribile dictu: in Buchform - Thesen verbreitet, noch dazu welche, die von der Gastkommentatorin persönlich als "quasi wissenschaftlich" und "mehr als fragwürdig" empfunden werden;

- wie lange Österreich es sich noch bieten lassen kann, dass der Vizekanzler dem Ministerpräsidenten eines befreundeten Nachbarlandes zu einem Wahlsieg gratuliert;

- wie lange Medien (?) und die Wähler (in Österreich?) es sich noch bieten lassen können, dass die Wähler in der Schweiz mehrheitlich für ein Minarett-Verbot gestimmt haben; und

- wie lange Europa es sich noch bieten lassen kann, dass die Organe der Europäischen Union die Hintergründe einer umstrittenen Maßnahme eines Mitgliedstaates klären, bevor sie darauf reagieren.

Falls die Fragen der Gastkommentatorin überhaupt ernst gemeint sind, helfe ich gern mit einer persönlichen Antwort aus: Liebend gern und bitte noch möglichst lange lasse ich mir "bieten", ...

- dass Menschen von ihrer verfassungsrechtlich und völkerrechtlich geschützten Äußerungsfreiheit Gebrauch machen (ohne dass ich diese Äußerungen automatisch teile);

- dass die Ergebnisse freier und demokratischer Wahlen anerkannt werden (ohne dass ich automatisch der Mehrheit beipflichte);

- dass das Recht sowohl in Österreich als auch in der Schweiz vom jeweiligen Wahlvolk ausgeht (ohne dass ich gewählte Repräsentanten aus ihrer Verantwortung entlassen will); und

- dass die EU nicht kopflos und reflexartig agiert, sondern vor Entscheidungen die Sach- und Rechtslage klärt (ohne dass ich damit der sprichwörtlichen langen Bank das Wort rede)!

Vielleicht ist es eines Tages auch Frau Professor Wicha vergönnt, die Vorzüge von Demokratie und Grundrechten zu entdecken. Ich wünsche es ihr.

Albrecht Haller ist Rechtsanwalt und Musiker in Wien.
Bild: Foto: mediendienst.com
Zum Gastkommentar Wie lange schauen wir noch zu?


 

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