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Dr. Hohenadl liebt Linzer Augen und Mandelringe

SATIRE

21/12/22 Genau besehen war Dr. Hohenadl ein Trittbrettfahrer. Denn es gab einen fixen Tag im Advent, an dem er bei seiner Cousine Charlotte eingeladen war. Charlotte blühte in der Vorweihnachtszeit auf.

Von Werner Thuswaldner

Ihr Talent, eine festliche Atmosphäre zu erzeugen, ihre Begabung, Räume zu dekorieren und Bänder um Geschenke so zu bearbeiten, dass sie sich zu zierlichen Locken kräuselten, musste sie wahrscheinlich das ganze Jahr über unterdrücken. Jetzt aber, in der Weihnachtszeit, konnte sie diesen Qualitäten freien Lauf lassen. Ihre Kekse waren ein Hochgenuss, vor allem die Linzer Augen und die Mandelringe. Für die feinen Empfindungen, die damit verbunden waren, wenn diese Köstlichkeiten langsam im Mund zergingen, nahm er ohne weiteres in Kauf, wenn ihm Charlotte lang und breit die Backprozedur erklärte.

Es komme darauf an, den Mürbteig mit kalten Händen zu bearbeiten und sobald der Teig geschmeidig sei, müsse man ihn ruhen lassen. Weiteres Kneten würde ihn bröselig machen. Er dürfe nicht hart werden, sonst müsse eben noch ein Eidotter hinzugefügt werden und sollte er brüchig werden, könne mit noch mehr Butter nachgeholfen werden.

Und Dr. Hohenadl war jedes Mal überwältigt. Seine Neigung, dies und das ironisch zu bekritteln, fühlte sich erstickt, abgetötet. Er schwelgte in Charlottes Arrangement und wurde ein Teil davon. Bevor er ging, überreichte ihm Charlotte jedes Mal eine Dose, von der er wusste, dass sie „Linzer Augen“ und Mandelringe enthielt.

Es war nicht die ganze Wahrheit, als es eingangs hieß, Dr. Hohenadl hätte sich auf Weihnachten wie ein Kind gefreut. Genauer sollte es heißen: Dr. Hohenadl freute sich händereibend auf die Weihnachtszeit.

Was keiner wusste: Dr. Hohenadl hatte eine ausgeprägte Neigung für Statistik. Schon seit seiner Schulzeit. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er Mathematik studiert und nicht Jus, worauf sein Vater bestanden hatte. Jus lief auf eine Verstopfung des Gehirns mit Müll hinaus, ersparte den Absolventen das eigene Denken und formte sie zu einem Heer von Scheuklappenexistenzen, die sich in der Politik und auf vielen anderen Feldern bestens bewährten. Dr. Hohenadl aber liebte die Mathematik, speziell die Statistik. Das traute ihm niemand zu. Es störte ihn nicht im Geringsten, unterschätzt und für weltfremd gehalten zu werden. Er lachte in sich hinein. Die Wenigsten hatten eine Ahnung von Mathematik im Allgemeinen und von Statistik im Besonderen. Er hatte keine Gesprächspartner, spürte aber nach der Schulzeit doch etliche Möglichkeiten auf, sich auf diesem Gebiet weiterzubilden.

Die Anregung war damals in der Klosterschule von einem Lehrer gekommen, einem Pater namens Anselm. Der verstand ein wenig von Statistik und auch von Wahrscheinlichkeitsrechnungen. Mit ihrer Hilfe versuchte er in immer neuen Anläufen herauszufinden, wie viele Seelen sich aktuell im Himmel tummelten und wie viel er sich an einem Einkaufsamstag wieder gespart hatte, während alle anderen in die Falle der Werbung gegangen waren.

Aber selbstverständlich dachte er sich zusätzlich eine edlere Begründung für seine Freude aus: Ich habe getan, was ich konnte, um die Ressourcen unserer geschundenen Erde zu schonen. Wegen mir braucht das Klima nicht außer Rand und Band zu geraten und der Meeresspiegel nicht weiter zu steigen. Ich habe begriffen, worauf es ankommt. Zur Selbstbelohnung gönnte er sich zwischendurch zwei Stück Linzer Augen aus Dorothees Dose, steckte sie in den Mund und schloss die Augen. In seinem Kopf verfasste er einen Leserbrief. So verschaffte er sich in Höchstmaß an Zufriedenheit, die ihm verlässlich seinen Mittagsschlaf versüßte.

Werner Thuswaldners Prosaband „Die Welt des Dr. Hohenadl. Ansichten eines gelernten Österreichers“ ist 2019 bei Ecowin erschienen
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Aus dem produktiven Leben eines Knauserers

 

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