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Dr. Hohenadl widersteht den Versuchungen

SATIRE

16/12/22 Dr. Hohenadl machte seine Beobachtungen auf den Adventmärkten und in den Supermärkten nicht wie ein absichtsloser Flaneur, sondern auf wissenschaftlicher Basis. Was er an statistischem Material sammelte, fügte er in ein Computer gestütztes Schema ein. Er ging nach einer Methode vor, die die induktive Statistik mit der explorativen Statistik verknüpfte.

Von Werner Thuswaldner

 Die eigene Marktbeobachtung war ihm wichtig, aber er bekam über die verkaufsintensivste Zeit des Jahres auch eine Menge Material von der Wirtschafts- und von der Arbeiterkammer. Am Ende wusste er aufgrund von Hochrechnungen, wie viel Geld in Wien in der Vorweihnachtszeit ausgegeben wurde. Diese Summe teilte er durch die Einwohnerzahl. Heraus kam ein Richtwert. Denn in der Einwohnerzahl waren auch die paar Konsumverweigerer, die es gab, die Babys, die noch nicht und die Greise, die nicht mehr einkaufen konnten, enthalten. Aber darauf kam es nicht an. Der Richtwert ließ sich mit jenem des Vorjahrs und jenen der Jahre davor vergleichen. Er stieg. Das war der Grund dafür, warum sich Dr. Hohenadl die Hände rieb. Denn er hielt sich aus den Kauforgien heraus und registrierte mit Genugtuung, wie andere in die Armutsfalle tappten.

Dr. Hohenadl freute sich das ganze Jahr auf die Vorweihnachtszeit wie ein Kind. Von ihm ist gelegentlich schon gesagt worden, er vermeide das Geldausgeben, wo er nur könne. Einige drückten es direkter aus. Sie nannten Dr. Hohnenadl einen Geizkragen. Er aber fühlte sich in diesem Punkt komplett missverstanden. Seiner Meinung nach unterschied er sich von anderen nur dadurch, dass er im Stande war, seine Bedürfnisse unter Kontrolle zu halten. Er konnte für sein Verhalten edle Gründe angeben und sagen, er sei bestrebt, einen möglichst unscheinbaren Fußabdruck auf dieser Erde zu hinterlassen.

Wie dem auch sei. Eigentlich sollte ja für ihn die Sparwoche Ende Oktober der Höhepunkt im Jahresablauf sein, denn vom Sparen verstand er wirklich etwas. Auch das wurde von Dr. Hohenadl gesagt. Es war aber nicht die Sparwoche, es war die Vorweihnachtszeit, die ihn beflügelte.

Seine Stimmung stieg, sobald in den Straßen Wiens die Girlanden aus Reisig angeliefert und über die Straßen gespannt wurden. Sorgen machte ihm nur die Lichterorgien, die vor allem in der Innenstadt veranstaltet wurden. Denn mit welchem Geld wurden die hohen Stromkosten bestritten? Natürlich mit Steuergeld. Die Bürger freuten sich über die strahlende Stadt, als hätte ihnen das Christkind die Erleuchtung gebracht und übersahen, dass sie die Abgezockten waren.

Die Prospekte der Handelsketten wurden umfangreicher. Dr. Hohenadl studierte sie andächtig. Rindschnitzel, Faschiertes, das Bananen-Sonderangebot und flache Nudeln in verschiedenen Farben interessierten ihn nicht besonders, dafür umso mehr so hochpreisige Artikel wie Bildschirme bis zu einem Meter zwanzig Durchmesser, aber auch Kaffeemaschinen für über vierhundert Euro und Elektrofahrräder für über tausend.

In diesen Wochen vor Weihnachten nützte Dr. Hohenadl ein kleines Notizbuch. Darin machte er immer wieder Einträge. An den Wochenenden stürzte er sich in den Trubel der Innenstadt und besuchte die Adventmärkte. Vor allem den vor dem Rathaus und dann auch noch den am Spittelberg. Er bewunderte das bunte Angebot, die glänzenden Kugeln, die vielen Lichterketten, die niedlichen Krippen und wollenen Strümpfe, vor allem aber die vielen Engel, die aussahen wie riesige Schmetterlinge. Er kaufte aber keines der Lebkuchenherzen, keine gebratenen Maroni, nichts von dem Bauerngeselchten und keine Zuckerwatte. Immer wieder zückte er sein kleines Notizbuch aus der Jackentasche und schrieb etwas hinein: Er wurde von manchen für einen Marktprüfer gehalten, fälschlicherweise.

Dr. Hohenadl sog den Geruch von Punsch und Grog ein, der zwischen und über den Ständen waberte. Vom Alkoholgehalt des Nebels bekam er einen Schwips und seine gute Laune stieg noch weiter an. Wohl machte ihm der geballte Kitsch zu schaffen, aber er hielt durch. Die raffinierte Beleuchtung des Rathauses, die das Gebäude aussehen ließ, als wäre es aus Zuckerwerk gemacht, gefiel ihm. Die Musik liebte er nicht. Keines der gut gemeinten, kindlich-süßlich klingenden Weihnachtslieder rührte ihn.

Regelmäßig ging er auch in die Einkaufszentren. Nicht wahllos, sondern nach einem genauen Plan. Dort hielt er sich am liebsten im Gedränge vor den Kassen auf und sah zu, wie das Personal die Taschen der Kunden vollpackte, und dort hörte er mit, welche Summen kassiert wurden. Immer wieder schrieb er etwas in sein Notizbüchlein. Er selbst kaufte nichts. In den Zeitungen stand, wie hoch der Umsatz an einem jeweiligen Adventwochenende gewesen sei.

Seine Wohnung hielt Dr. Hohenadl von jeglichen Weihnachtsutensilien frei. Seinetwegen musste keine Tanne im Wald sterben, nicht einmal ein Ast wurde ihr gekrümmt. Kerzen hasste er, weil er fürchtete, einen Wohnungsbrand auszulösen.

Werner Thuswaldners Prosaband „Die Welt des Dr. Hohenadl. Ansichten eines gelernten Österreichers“ ist 2019 bei Ecowin erschienen
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Aus dem produktiven Leben eines Knauserers

 

 

 

 

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