Lipizzaner gekreuzt mit Narwal
HINTERGRUND / SCHLOSS HELLBRUNN
23/03/16 Das Einhorn begegnet einem im Schlossgelände von Hellbrunn auf Schritt und Tritt – nun sogar in einem der großen Räume im ersten Stockwerk des Schlosses. In der neuen Schau „Die unerwartete Welt des Markus Sittikus“ bäumt es sich auf wie ein Lipizzaner in der Wiener Hofreitschule.
Von Reinhard Kriechbaum
Wo hat man es geschossen, das gute Tier? Ein Präparator aus Deutschland hat es gemacht, indem er einem Pferd den Zahn eines Narwals aufgesetzt hat. „Das Einhorn ist Symbolträger für eine Zeit, in der Naturwissenschaften und Fiktion noch nicht getrennt waren“, erklärt Christoph Kühberger. Der Historiker und Vizerektor der Pädagogischen Hochschule hat die neue Schau gemeinsam mit der Kunsthistorikerin Sibylle Kampl konzipiert.
Die Herausforderung: einem heterogenen Publikum, das sich konkret wenig vorstellen kann unter einem Lustschloss aus der Epoche des Manierismus, Brücken zu bauen. Den Wunderkammer-Effekt imaginiert man sehr gut, ohne dass man das Schloss mit Exponaten vollgeräumt hätte. Das verbietet sich schon deshalb, weil man ja auf Massenbesuch gefasst sein muss. Eine gute Lösung, dass man in die wenigen Vitrinen eine Unzahl von Laden integriert hat. „SchauLust“ ist ja im Titel der neuen Sonderausstellung mit versprochen - und die kann man durch neugierige Blicke in zahlreiche Schubladen nun wirklich befriedigen.
Neugier ist die Voraussetzung, aber sie wächst ohnedies wie von selbst: Im Festsaal kann man auf einem sich langsam drehenden Karussell-Fauteuil mit integrierter Elektronik Platz nehmen und die Secco-Malereien an sich vorüberziehen lassen.
Im Oktogon mit seinen Musikdarstellungen führt eine Notenband-Skulptur als Riesenhelix hinauf ins Gewölbe. Ins Faschingstreiben wird man durch einen im Detail recht witzigen, auf drei Raumwände projezierten Zeichentrickfilm hinein gezogen. Auf einem Monitor sieht man, wie Markus Sittikus vom Jüngling zum alten Mann gealtert ist.
Aber all das schlägt der Saal mit den Tierbildern, dem erzbischöfliche Lust-Bestiarium sozusagen. Dort bäumt sich das Einhorn auf. Es ist auch jenes Rentier im Bild zu sehen, das ein schwedischer König dem Salzburger Erzbischof geschenkt hat und das wirklich in Hellbrunn seinen Lebensabend verbracht hat. Kleine Geschenke haben auch im Dreißigjährigen Krieg die Freundschaft zwischen Katholiken und Protestanten aufrecht erhalten. Nach eventuellen Gegengeschäften und ihrer Moral fragen wir besser nicht.
Das Pferd mit genetischem Defekt brachte zumindest dem Hufschmied Glück. Acht Beine, da hat man was zum beschlagen! Die Reiher und anderen Wasservögel und schließlich all die absonderlichen Fische – ihre echten Artgenossen in Hellbrunn sind ja auch Charakterköpfe – ergänzen die Gemäldeschau. Der Drehkasten, mit dem man manieristische Wolpertinger zusammenstellen kann, steht auch bereit. Kinder fliegen drauf.
Ein Raum gilt den Wasserspielen. Man sieht alte Holzrohre und man kann an einem Modell studieren, wie das berühmte Germaul funktioniert. Figuren von den verschiedenen mechanischen Theatern sind da, und in einer der Lade sieht man auch, wie die kleinen Wasserpfeifen aussehen, die in der Vogelgrotte das Zwitschern imaginieren.
Zumindest in diesem Sommer hat man in Hellbrunn die Wahl: Wasserspiele, Volkskundemuseum und Schloss für 12,50 Euro, oder für das Schloss allein für acht Euro. Nicht billig, aber es zahlt sich aus.
Die Stadt hat 1,64 Millionen Euro in Hellbrunn investiert. Es gibt jetzt nämlich ein neues Besucherzentrum (mit neuem Kassenbereich und bald auch einem eigenen kleinen Gastgarten).
Es ist im Schlosshof, gegenüber dem Shop. Die neuen Audioguides, die mit 70.000 Euro zu Buche schlugen, können jetzt auch Arabisch, Chinesisch und Koreanisch. Auch für Kinder gibt es einen Button.
In einem Pressegespräch heute Mittwoch (23.3.) war zu erfahren, dass der Schlosspark Hellbrunn von Anfang an der Öffentlichkeit zugänglich war. In der Nazi-Zeit war das Areal Hitlerjugend und Exekutive zur Rekreation vorbehalten.
Derzeit tummeln sich in Park, Schloss und Wasserspielen pro Jahr rund 450.000 Menschen. 280.000 kaufen eine Eintrittskarte in die Wasserspiele. 10.000 Einheimische nutzen angeblich jenes vergünstigte Ticket, das man in SPAR-Geschäften für drei Euro bekommt.