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Wo überall man sich damals bedienen konnte

DOKUMENTATION / HAUS DER NATUR

21/01/14 Das NS-Regime beschlagnahmte kirchliches Vermögen in großem Umfang. Eduard Paul Tratz, Leiter des Hauses der Natur, war in die Vorgänge rund um die Vermögensauflösungen verschiedener katholischer Organisationen eingebunden.

051Hier eine Zusammenstellung von Quellen, aus denen Tratz, der dem NS-„Ahnenerbe“ nur zu breitwillig zuarbeitete, zwischen 1938 und 1944 Objekte für sein Haus zog. Diese werden jetzt systematisch identifiziert und rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben. Objekte und Bücher kamen von kirchlichen Organisationen in und um Salzburg, manche Dinge wurden aber auch auf Raubzügen in den von Hitler in Osteuropa und Frankreich besetzten Gebieten gezogen. Tratz war als Mitarbeiter des Ahnenerbes an Raubzügen in den besetzten Gebieten in Polen, der Ukraine, auf der Krim und in Frankreich beteiligt. Darüber hinaus gelangten über Angehörige der Wehrmacht bzw. der SS Sammlungsobjekte an das Haus der Natur.

Borromäum, Salzburg 1938

Im Jahr 1938 wurde das Borromäum enteignet. Ein Teil der Schulbibliothek gelangte unter ungeklärten Umständen an das Haus der Natur. Ein Großteil der geraubten Bestände wurde bereits Ende der 1980er Jahre restituiert. Bei der Neuinventarisierung der Bibliothek konnten jedoch weitere Bücher aus dem Besitz des Borromäums identifiziert werden.

Petrus Claver Sodalität, Maria Sorg, Innsbruck und Wien 1939

Tratz war 1939 an Beschlagnahmungen an allen Standorten der Sodalität beteiligt und requirierte vor allem völkerkundliche Gegenstände für das Haus der Natur. Restitutionen fanden bereits unmittelbar nach Kriegsende statt, jedoch gelten einige Objekte bislang noch als verschollen.

056Katholischer Universitätsverein, Salzburg 1940

Im Mai 1938 wurde der Katholische Universitätsverein (KUV) von den Nationalsozialisten aufgelöst und die gesamten Vermögenswerte der „Ahnenerbe“-Stiftung übertragen. Als die Bibliothek des „Ahnenerbes“ 1940 aufgelöst wurde, gelangten Teile davon auch an das Haus der Natur. Diese Bücher sind zu einem Großteil hier verblieben und werden bei der derzeitigen Recherche nach und nach identifiziert.

Stift St. Peter, Salzburg 1941

Tratz war 1941 in die Begutachtung der Sammlungen des Stiftes eingebunden. Vermutlich gelangten zu diesem Zeitpunkt aber keine Sammlungsbestände an das Haus der Natur.

Stift St. Lambrecht 1943

Die im Stift St. Lambrecht untergebrachte Vogelsammlung von P. Blasius Hanff erregte das Interesse von Tratz, der zumindest einmal die dortigen Sammlungen besichtigte. Weil für das Stift jedoch eine eigene NS-Verwaltung installiert wurde, verblieben die gesamten Sammlungen jedoch vor Ort.

053„Kommando Paulsen“, Warschau 1939

Tratz nahm 1939 an „Sicherstellungsaktionen“ des Ahnenerbes in Krakau und Warschau teil. Dabei kam es zu Abtransporten aus dem Anatomischen Institut und dem Naturhistorischen Museum in Warschau. Die Liste der von Tratz „in Warschau übernommenen“ Objekte umfasst 230 Präparate, 99 Bücher und sieben wissenschaftliche Instrumente.

Im April 1946 wurden von Direktor Piperek mehr als 200 zoologische Objekte und 250 Bücher den polnischen Behörden übergeben. Während der Direktion Stüber wurden weitere Bücher restituiert. Nach Abschluss der laufenden Recherchen wird die Rückgabe noch vorhandener Objekte aus diesen Beständen an die rechtmäßigen Besitzer in die Wege geleitet.

Akademie der Wissenschaften, Krakau 1941

Nach Ende des Kommandos Paulsen bemühte sich Tratz aktiv um Sammlungsbestände aus Krakau, vor allem um das eiszeitliche „Starunia-Wollhaarnashorn“. Trotz intensiver Bemühungen und der Intervention von Gauleiter Rainer gelang es Tratz nicht, die notwendige Unterstützung für einen Transport nach Salzburg zu erlangen. Deshalb fuhr er im Mai 1941 gemeinsam mit seinem Präparator nach Krakau um eine Abformung des Wollhaarnashorns herzustellen.

Ukraine, Krim, Südrußland 1943

Lutz Heck, Direktor des Berliner Zoos und Reichs-Naturschutzbeauftragter, und Tratz reisten im Juni 1943 nach Askania Nova (Ukraine) und auf die Krim. Aktuelle Recherchen haben ergeben, dass fünf Präparate, die Tratz von dieser Reise mitbrachte sich heute noch im Haus der Natur befinden.

Medizinische Fakultät, Straßburg 1944

Tratz nutzte im März/April 1944 einen Aufenthalt in Straßburg, um an der dortigen medizinischen Fakultät acht Kisten mit Objekten aus den Lehrmittelbeständen zu requirieren. Diese Objekte wurde im September 1948 vom damaligen Museumsdirektor Piperek identifiziert und an die französischen Besatzungsbehörden restituiert.

Smolensk 1941

Auf Veranlassung des Salzburger Wehrmachtfunkers Hans Hanke gelangten im Winter 1941 umfangreiche Bibliotheks- und Sammlungsbestände von Smolensk nach Salzburg und zumindest teilweise ans Haus der Natur. In der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde unter Direktor Piperek die Sammlung des Museums von sowjetischen Kommissären untersucht und umfangreiche Bestände den sowjetischen Besatzungsbehörden übergeben. Bei der Neuinventarisierung der Sammlungen wurden noch weitere Objekte gefunden, die Herkunftsetiketten des Zoologischen Museums Smolensk tragen. Die Rückgabe der noch vorhandenen Objekte an die rechtmäßigen Besitzer wird in die Wege geleitet.

Museum Lviv (Lemberg) 1943

Der SS-Archäologe und Geologe Wilhelm Jordan „erhielt“ im April 1943 Reste eines eiszeitlichen Mammuts aus dem Museum in Lemberg. Es ist wahrscheinlich, dass dieses Objekt 1944 an das Haus der Natur weitergegeben wurde. Bei einem Besuch von Kollegen aus dem Museum in Lviv im Oktober 2013 wurde dieser Fall bereits diskutiert. Erste Recherchen in Lemberg lieferten keine neuen Hinweise. In kommenden Nachforschungen werden die Hintergründe dieses Sammlungszugangs gemeinsam geklärt.

„Arisierungen“ aus jüdischem Besitz

In einigen privaten Sammlungen jüdischer Großbürger befanden sich neben Kunstwerken auch naturkundliche Objekte. In zumindest drei Fällen gelangten derartige Sammlungen durch „Arisierungen“ an das Haus der Natur.

Jagdtrophäen aus dem Besitz von Rudolf Gutmann, Kalwang 1940

Der Kunstsammler und Jäger Rudolf Gutmann besaß eine Trophäensammlung, die er in seinem Jagdschloss auf Gut Kalwang verwahrte. Im März 1938 flüchtete Gutmann nach Kanada. Das Gut hatte er bereits 1932 an seinen Schwager Franz von Liechtenstein verkauft. Tratz besichtigte die Jagdtrophäen im April 1940 und ließ sie im Juni abtransportieren. Er schaffte es, die nun im Eigentum des regierenden Fürsten von Liechtenstein stehenden Trophäen als „Leihgaben“ an das Haus der Natur zu bringen.

Unmittelbar nach dem Krieg verhandelten der damalige Direktor des Museums Maximilian Piperek, die Salzburger Landesregierung, die Kabinettskanzlei des Fürsten von Liechtenstein und Rudolf Gutmann über den weiteren Verbleib der Sammlung. Gutmann entschied, dass die Trophäen als Leihgabe im Haus der Natur verbleiben sollen. Im Jänner 1956 erbat Gutmann dann doch die Rückgabe, worauf Tratz die Objekte retournierte. Nach Gutmanns Tod im April 1976 überließ seine Frau Marianne die Jagdtrophäen, „die schon vom Jahr 1938 bis 1956 als Leihgaben im Haus der Natur waren“ endgültig dem Museum.

Sammlung Alphonse und Clarisse Rothschild, Steinbach und Langau 1940

Alphonse und Clarisse Rothschild besaßen eine umfangreiche Trophäensammlung. Die Besitzungen der Rothschilds wurden im April 1938 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt. Im Mai 1940 nahm Tratz Kontakt mit den neuen Verwaltern auf. Im August ließ er die Trophäen abtransportieren und nach Salzburg bringen.

Nach dem Krieg gab es zwar Kontakte zwischen dem Museum und Vertretern der Familie Rothschild, es liegen jedoch keinerlei Hinweise auf Restitutionen oder Verhandlungen darüber vor. Inzwischen konnte der Kontakt zu den Erben hergestellt und die Rückgabe der Sammlung angeboten werden.

Sammlung „[Bomstein-]Boni“, Paris zwischen 1940 und 1944

Im Haus der Natur befindet sich eine Sammlung südamerikanischer Vögel, deren Provenienz ungeklärt ist. Die Sammlung weist einheitliche Etiketten mit dem Aufdruck „B.BONI - QUITO ECUADOR. S. AM.“ auf und ist keiner konkreten Person zuzuordnen. Eine Rundfrage unter europäischen Museumskuratoren zeigte, dass Objekte mit gleichen Etiketten auch in der Sammlung des naturhistorischen Museums in Paris existieren. Im dortigen Eingangsbuch sind das Jahr 1936 und ein Hr. Bomstein-Boni als Herkunftsverweis verzeichnet. Ein zwischen den Sammlungsstücken im Haus der Natur gefundener Speditionsschein liefert einen Hinweis darauf, dass sie von Paris nach Salzburg transportiert wurden. Derzeit wird recherchiert, ob ein Zusammenhang zu Georg Gregor Bomstein-Boni steht. Er war Journalist und Mitglied einer ursprünglich aus Odessa stammenden, jüdisch-stämmigen Familie, die sowohl in Paris als auch in Wien gelebt hat. Bomstein-Boni wurde in Frankreich von den Nationalsozialisten festgenommen und in das KZ Sobibor/Majdanek deportiert, wo er am 11. März 1943 ermordet wurde. Die Recherchen zu diesem Fall sind noch in Gange.
(Haus der Natur)

Bilder: dpk-krie
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