Die Adele mit dem spitzen Schnabel
HAUS DER NATUR / RESTITUTION
21/01/14 An einem Mammutknochen gibt’s noch zu nagen: Welches von mehreren im Haus der Natur befindlichen Stücken nun wirklich dem Museum in Lemberg (Ukraine) gehört, ist nämlich noch nicht klar. Klar indes: Solche Dinge, die während des Dritten Reichs unrechtmäßig in die Sammlung kamen, gehören zurückgegeben.
Von Reinhard Kriechbaum
Da ein paar Knochen prähistorischer Tiere, dort ein paar Tierpräparate, die einst einem jüdischen Jäger und Sammler gehörten. Die Federkleider oder Fellzeichnungen kommen nicht an die Goldornamente heran, in die Klimt seine „Adele“ gehüllt hat. Die „Adeles“ im Haus der Natur haben Krickeln oder Geweihe, gebogene oder gerade Schnäbel.
Keines der Stücke wird es in der internationalen Presse zu einer Schlagzeile bringen, eher nicht mal zu einer Kurznotiz. Aber doch: Man räumt endgültig auf im Haus der Natur, man trennt sich von Sammlungsstücken, die dessen Gründer Eduard Paul Tratz ohne viel Federlesens für sein Museum herbeigeschafft hat.
Eigentlich war man eh brav /verglichen mit anderen österreichischen Institutionen): Gleich nach dem Krieg hat Maximilian Piperek, der das Haus leitete, während Tratz wegen SS- und NSDAP-Mitgliedschaft inhafttiert war, allerhand auf unlautere Weise Angeschafftes zurückgegeben. Bei klein kamen immer wieder Exponate an ihre rechtmäßigen Besitzer (etwa Museen in Frankreich und Polen) zurück. Seit 2010 wurden die Bestände systematisch durchforstet, und jetzt hat man Ergebnisse vorzulegen. Im Oktober wird es eine Ausstellung geben, dann ein Symposion, eine Buchpublikation – und dann geht’s ans Retournieren.
Bemerkenswert ist, dass das Haus der Natur das bisher erste naturkundliche Museum im deutschen Sprachraum ist, das so etwas systematisch macht. Darauf wies Kultur-Landesrat Heinrich Schellhorn in einem Pressegespräch am Dienstag (21.1.) hin. Die Größenordnung der zu restituierenden Objekte mag bei einem Gesamtbestand von 900.000 Objekten wenig spektakulär sein – aber letztlich geht es um die Signalwirkung, um die moralische Verpflichtung. 200 Jagdtrophäen, 100 Tierpräparate, 250 Knochen eiszeitlicher Tiere, 1000 Bücher – der Gesamtwert lasse sich schwer beziffern, sagt Sammlungsleiter Robert Lindner. Das meiste befinde sich in den Depots, habe also eher wissenschaftlichen als Schau-Wert. „Die Zufriedenheit über eine saubere Rückgabe ist höher als der Wert“, sagt Lindner. Auch für Norbert Winding, Direktor des Hauses der Natur, steht dieser Aspekt im Vordergrund.
Paul Eduard Tratz war ein begnadeter Netzwerker. 1913 hat er begonnen, Vögel zu sammeln (vorerst für ein Vogelmuseum in Hellbrunn). Auch in der NS-Zeit, als Tratz der SS-Forschungsorganisation „Ahnenerbe“ zuarbeitete (dort wurde das Haus der Natur integriert), nutzte er seine lokalen und internationalen Kontakte. Die Schulbibliothek des Borromäums, völkerkundliche Gegenstände der Maria Sorg-Schwestern (Petrus Claver Sodalität), die Buchbestände des Katholischen Universitätsvereins, Objekte von der Medizinischen Fakultät Straßburg: Da bediente sich Tratz ebenso wie aus jüdischen Privatsammlungen. Raubzüge in den besetzten Gebieten Osteuropas brachten auch manches Stück nach Salzburg. Die Provenienzforscher unter der Leitung des Zeithistorikers Univ.-Prof. Robert Hoffmann waren gut beschäftigt in den letzten Jahren.“Es geht um die moralische Komponente“, bekräftigt auch er.