Amors wohlgeformte Beine
KELTENMUSEUM / WIRKLICH WICHTIG
30/10/13 Das einzige antike Skulptur-Großformat, das man je in Salzburger Landen aus der Erde geholt hat, ist ein Amor. Genauer gesagt: Die aus Bronze wohlgeformten Beine des römischen Liebesgottes. 1868 hob man in Glas den Überrest einer fast menschengroßen Statue.
Von Reinhard Kriechbaum
Nun also steht Amors Untergestell bis in den Sommer 2014 hinein im Keltenmuseum Hallein, in der Sonderausstellung „Wirklich wichtig“. Sollte nicht alles „wirklich wichtig“ sein, was man in einem Museum ausstellt? Die Sache ist hier anders gemeint. Man hat Stücke zusammengetragen, die imstande sind, den Archäologen – und natürlich auch den Ausstellungsbesuchern – Geschichten zu erzählen. Könnte der kopf- und körperlose Amor reden, würde er womöglich einen Klagegesang anstimmen. Vielleicht hat sein Besitzer eine Liebesgötterdämmerung erlebt, jedenfalls war die beachtlich große Figur zum Einschmelzen bestimmt. Das schließen die Wissenschafter aus späteren Funden anderer Metallteile in nächster Umgebung. Der Schrottplatz ist wohl das Letzte, was man einem Amor wünschen möchte...
Manchmal stecken Archäologen ihre Nase in Dinge, die einst nicht gar so gut gerochen haben. Keltische Bergleute haben bei Bedarf an ihrem Arbeitsplatz, im Stollen, Häufchen gemacht. Das mutet zwar degoutant an, aber Forscher können aus diesen menschlichen Exkrementen Rückschlüsse auf Ernährungsgewohnheiten und Krankheiten ziehen. Besagter Bergmann, dessen Kacke sich deutlich abhebt von den kunsthistorischen Pretiosen der Kelten- und Römerzeit, litt am Peitschenwurm. Brechreiz, Koliken, Durchfall waren verbreitete Krankheiten jener, die sich im Bergbau abrackerten.
Schöngeister werden eher die Schmuckstücke ansprechen, die zwei Damen der mittleren Latènezeit in Hellbrunn mit ins Grab gegeben wurden. Oder die keltischen Fibeln vom Dürrnberg, ebenfalls aus dem 5./4. vorchristlichen Jahrhundert. Ein angebohrter Schädel zeugt davon, dass am Dürrnberg schon recht mutige Ahnväter der Chirurgen tätig waren. Besser aufgehoben war man damals vermutlich bei den Theologen: In der Kaigasse fanden sich Votivgaben sonder Zahl, also muss dort wohl ein Tempelbezirk gewesen sein.
Nicht immer beschäftigen sich Archäologen mit Dingen aus uralten Zeiten. Ältere Salzburger erinnern sich noch an Alois Lindner, diesen verschrobenen Bildhauer, der in seinem Atelier auf der Festung zuletzt bizarre hölzerne Musikinstrumente schuf. Niemand weiß, wer wann und warum zwei Porträtbüsten von Lindner im Basteigarten der Festung vergraben hat. Dort sind sie Ende der neunziger Jahre ausgebuddelt worden. Irgendwann um1960 mag Lindner die beiden schönen Stücke geschaffen haben, aber das weiß man auch nicht so genau.
Eine anregende Schau – und ein Vorgeschmack darauf, mit welch vielfältigen Themen in Zukunft im Keltenmuseum zu rechnen ist. Es soll ja künftig das repräsentative Archäologiemuseum des Landes sein. Das will man mit dem „Archäologischen Herbst“ öffentlichkeitswirksam kommunizieren. Es gibt ein breit gefächertes Rahmenprogramm und auch viele Angebote für Kinder und Jugendliche.