Indiana Jones trägt Anzug
SALZBURG MUSEUM / ARCHÄOLOGIE?!
30/10/13 Sie suchen die Bundeslade oder den Heiligen Gral, werden die Geister nicht mehr los, die sie in vergessenen Urwald- oder Wüsten-Templen aufgestöbert haben und sind daher oft ein wenig abgekämpft. Anscheinend stimmt das gar nicht! Nicht jeder Archäologe ist ein Indiana Jones. Wäre ja auch zu schön gewesen, dann wären sie alle Enkel von Sean Connery.
Von Heidemarie Klabacher
Das klingt jetzt lustig und ist bei intensiver Auseinandersetzung tatsächlich auch spannend. Erraten, was andere Leute – genauer gesagt: Künstler von Heute – sich denken mögen, wenn sie an „Archäologie“ denken: Das ist die Aufgabe für die Besucher der Ausstellung „Archäologie?!“ im Salzburg Museum.
Das Stöbern in den Künstlerköpfen und Nach-Denken von Gedanken hat durchaus seinen Reiz: Wie mag es zu der Modelleisenbahn aufgehängt zwischen Zimmerpflanzen gekommen sein. Die Bahnhofsgebäude tragen Namen großer Damen des alten Griechenland. Das Bahnhofsgebäude „Danae“ ist ein Hochhaus. Logisch, Danae war auf dem Grund eines hohen Turms eingesperrt, als Zeus in Gestalt eines Goldregens über sie kam. Aber wieso ist Zeus in der Installation von Norbert W. Hinterberger an der Station „Danae“ eine alte Dampflok? Goldregen, Regen, Wasser, Dampf, Dampflock – vielleicht ist das ein möglicher Gedankengang.
Auf jeden Fall im Vorteil sind Ausstellungsbesucher mit abgeschlossenem Studium der Klassischen Archäologie. Auch gute Kenntnisse der griechischen Mythologie sollten sie mitbringen und möglichst auch Empathie für die Selbstsicht von Archäologen. Wie diese sich heute selber sehen (oft solide im Anzug, gar nicht immer schmutzig vom Graben) und wie Künstler von Heute sich mit dem Thema Archäologie befassen, sind Aspekte im Gedankenkonstrukt hinter der Schau in der Kunsthalle im Salzburg Museum.
Eines der reizvollsten Projekte ist die zweiteilige Video-Installation „Cento Piedi“ der rumänischen Künstlerin Aurelia Mihai: Die Trajanssäule in Rom ist Gegenstand des ersten Videos auf der Vorderseite der Leinwand, samt Touristen, die das Monument ihrerseits mit Kameras belagern. Der zweite Film (auf der Hinterseite der Leinwand) wurde im Inneren der Säule gedreht: Eine Putzfrau kehrt und schrubbt mit liebevoller Hingabe die Stufen und singt dazu ein rumänisches Volkslied. Der Knackpunkt: Das Fries auf der Trajanssäule erzählt die Geschichte der Eroberung Dakiens, des späteren Rumänien. Zudem leben heute etwa 800.000 Menschen aus Rumänien unter schwierigen sozialen Bedingungen in Rom. - Der Blick der Künstler von heute auf die Vergangenheit ist sehr oft sozial-politisch grundiert.
Die Künstlerin Liesl Ponger hat sich Indana Jones vorgeknöpft, dessen Abenteuer in den Kultfilmen tatsächlich das Bild des Archäologen in der breiten Öffentlichkeit beeinflusst haben: Pongers Bilder spielen mit dem Indiana Jones-Klischee.
Die Antike war knallbunt, daran erinnert Thomas Hochleitner, der Direktor des Salzburg Museum. Genau darauf spielt Hans Peter Feldmann mit seinen grellfarbigen Skulpturen an. Elegant - „klassisch“? - weiß sind daneben die Leihgaben aus der Abguss-Sammlung der Universität Salzburg.
Das wohl spannendste Objekt der Ausstellung ist selber schon ein Artefakt – wenn auch nur aus dem Jahr 1974: Das beinahe Raum füllende Modell „Ostia Antica“ von Anne und Patrick Poirier war 1974 Teil der legendären Ausstellung „Spurensicherung: Archäologie und Erinnerung“ von Günter Metken im Hamburger Kunstverein: Das riesengroße Modell der Hafenstadt des antiken Rom besteht aus „archäologischen Rekonstruktionen“ und „utopischen Konstruktionen“, spielt also mit dem Thema „Modell“.
„In der Ausstellung werden Archäologie und der Bezug der Kunst auf ihre eigene Vergangenheit beleuchtet. Die historischen Beispiele und die Gipsabgüsse griechischer Statuen vermitteln ausgewählte Traditionslinien einer Bezugnahme auf die Antike und belegen, dass Kunst immer auch eine ‚Kunst über Kunst’ gewesen ist. Schließlich führt die Ausstellung vierzehn Arbeiten der letzten vier Jahrzehnte zusammen. Jedes dieser Werke ist in spezifischer Weise auf die Antike bezogen. So thematisiert "Archäologie?!" insgesamt, warum sich Künstlerinnen und Künstler mit der Antike beschäftigen und welcher Bogen sich bei dieser Fragestellung über Jahrhunderte bis zur Gegenwart spannen lässt.“ Soweit Martin Hochleitner. Auch er ein Archäologe. Pallas Athene, Schutzherrin der Kopfgeburt, hätte mit ihnen allen eine große Freude.