Donatellos Salzburger Hanswurst
SALZBURG MUSEUM / ANTON AICHER
04/10/13 Was heißt da solo? Fünf Puppenspieler braucht es angeblich, um Anna Pawlowna den sterbenden Schwan tanzen zu lassen. Dabei ist die Figur gerade 25 cm groß! 1936 hat sie erstmals getanzt, bei einem Gastspiel des Salzburger Marionettentheaters in Moskau.
Von Reinhard Kriechbaum
Zum hundertjährigen Bestehen des Salzburger Marionettentheaters widmet das Salzburg Museum dessen Gründer Anton Aicher (1859-1930) eine Ausstellung.
Wie sollen wir uns die erste Salzburger Marionettenaufführung vorstellen? Anton Aicher, ein gebürtiger Steirer, war nach seinem Bildhauerstudium in Wien nach Salzburg gekommen, als Leiter der Bildhauerklasse an der k.k. Staatsgewerbeschule (ab 1884). Hier waren er und gleichgesinnte Schöngeister Mitglieder der „Künstlergenossenschaft Gral“. „Donatello“ war Aichers Name in diesem Freundeskreis, vor dem er am 27. Februar 1913 Mozarts Singspiel „Bastien und Bastienne“ zur Aufführung brachte. Ein Erfolg, denn schon im ersten Jahr ging man auf Gastspielreise. Da Aicher alias „Donatello“ 1914 in Pension ging als Lehrer, konnte er sich fürderhin seinem Hobby, dem Puppenspiel widmen. Gut, dass es so war: Dem eklektischen Bildhauer wäre der Ruhm der Nachwelt gewiss versagt geblieben. Auch das spiegelt die Schau im Salzburg Museum.
Aber eben die Marionetten! Die Köpfe für die Personnage des Doctor Faustus hat Aicher geschnitzt, für manches Märchenspiel, natürlich alsbald für die „Zauberflöte“. Und nicht zu vergessen: Der Lungauer Sauschneider „Hanswurst“ hat auch von Anfang an auf der Bühne des Marionettentheaters seine Scherze getrieben. Anton Aicher hatte noch im Hotel Bristol gespielt, sein Sohn Hermann zuerst im Turnsaal des Alten Borromäum schräg gegenüber der Dreifaltigkeitskirche (da ist jetzt das neue Mozarteum, die „Aicher-Passage“ erinnert an den alten Standort). Dann übersiedelter man vorübergehend in den Kapitelsaal. 1971 wurde das „eigene“ Theater in der Schwarzstraße bezogen, der adaptierte ehemalige Speisesaal des Hotels Mirabell.
Immer nahmen und nehmen sich Bildhauer der Köpfe und Hände der Figuren an, das hat Tradition. Etwa Josef Magnus oder Jakob Adlhart. Sogar die Keramikerin Luise Spannring hat Figuren geschaffen: Klassisch wirken ihre drei kleinen Marionetten zu „Apollo und Hyazinth“. Mancher zarte Keramik-Finger hat die Zeitläufte freilich nicht überlebt…
Effektvoll präsentiert werden die 46 Puppen, beinah geheimnisvoll verborgen hinter Fäden-Girlanden, die der Betrachter aber zur Seite schieben kann. Die besonders kostbaren Stücke sind hinter Glas. In einem altmodischen kleinen Glaskästchen steht der „Schauspieldirektor“, ein Schnitzwerk noch von Anton Aicher.
Erstaunliche Dinge gibt es zu sehen: „Die Raumrakete“ hieß ein Stück, das 1932 herauskam. Science Fiction im Marionettentheater mit außerirdischen Insektenwesen! Da war Anton Aicher, der Ur-Prinzipal, schon tot. Auf seinen Sohn Hermann Aicher folgte 1977 die Enkelin Gretl Aicher als Prinzipalin. Sie lenkte bis zu ihrem überraschenden Tod heuer im Frühjahr die Geschicke des Marionettentheaters.
Die kleine, feine Retro-Schau im Salzburg Museum ist hübsch designt und ausgestattet mit moderner audiovisueller Technik. Über all den liebenswürdigen alten Schätzen darf man die Gegenwart nicht vergessen: „Tourneen sind unser Standbein“, sagt die Geschäftsführerin des Marionettentheaters, Barbara Heuberger. Gerade ist man dabei, die Puppen und mobile Bühnen-Infrastrulktur für eine achtwöchige Amerika-Tournee zu verpacken. Mit fünf Produktionen reist man, und das bedeutet 6,2 Tonnen Material. „Die Zauberflöte“ und „Sound of Music“ sind dabei, und die Marionettenversion von Wagners „Ring“, den man im Dezember gar im Metropolitan Museum in New York zeigen wird.