Führerstand-App und Blech-Wagon
SPIELZEUGMUSEUM / HURRA, DIE EISENBAHN IST DA
16/11/12 Die einen strampeln auf dem Laufband, die anderen lassen strampeln - und zwar ihre Hightech-Dampflock auf dem digitalen „Rollenprüfstand“. Die Schienen bewegen sich unter der sanft ruckelnden Lokomotive, ein Griff zum Smartphone, die Schienen werden schneller, die Lok pfeifft und Rauch kommt aus dem Kamin. Dazu braucht man nur einen Führerstand-App.
Von Heidemarie Klabacher
Staunend steht der weibliche bzw. nicht-modelleisenbahn-behexte Mensch im Spielzeugmuseum vor etwas, das ausschaut, wie ein kleiner hochmoderner High-Tech-Herd mit Touch-Tastatur. Darauf steht aber kein Puppen-Induktionskochtopf, sondern eben eine Modell-Dampflock. Dass sie dort steht, hat irgendwas mit dem Prüfen der Räder zu tun – ob sie sich auch wirklich geschmeidig drehen, oder so.
Er ist jedenfalls das Neueste und Teuerste aus den Remisen der Firma Roco, dieser Rollenprüfstand „Smart Rail“. Zu jeder Lok, die man draufstellt, gibt es für Smart Phone oder Tablet den richtigen interaktiven Führerstand: Ein Hebel auf dem Bildschirm bewegt, schon spuckt die Lok auf dem Prüfstand noch dickere Dampfwolken aus.
„Hurra, die Eisenbahn ist da. Spielzeug und Modelle aus drei Generationen“ heißt die neue Sonderausstellung im Spielzeug Museum. Zu sehen sind also nicht nur Hightech-Innovationen, mit denen das ein wenig angestaubte Image des Modelleisenbahn-Freaks aufpoliert werden soll, sondern auch auf Hochglanz polierte Kostbarkeiten verschiedenster Spurweiten. Immerhin repräsentieren Eisenbahnmodelle jeweils den technischen Stand ihrer Zeit. Gezeigt werden etwa Modelle der Firmen Bing, Märklin und Ditmar aus den 1930er Jahren oder eine klassische ovale Eisenbahn, durch Jahrzehnte quasi das Einsteigermodell.
Modelleisenbahnen haben meist einen stolzen Preis, denn das von den meisten Firmen verwendete Spritzgussverfahren ist teuer: Die benötigten Gussformen, wie sie auch in der Ausstellung zu sehen sind, kosten in der Anfertigung etwa 15.000 Euro. Da für jedes Einzelteil eine eigene Form notwendig ist, kann die Produktion eines 20-teiligen Modells schnell mehrere Hunderttausend verschlingen. Zur Herstellung eines Einzelteils wird in solche Formen unter dem Druck mehrerer Tonnen flüssiger Kunststoff eingespritzt, der dort innerhalb weniger Sekunden erkaltet. Da sich das Material dabei ein wenig zusammenzieht, muss der Auswerfprozess rasch erfolgen, damit das Fabrikat nicht in der Form stecken bleibt.
Da schon lieber das Lokomobil! Hundert Jahre alt ist das behäbige Gefährt, das in der ÖBB Lehrwerkstätte 1991 restauriert wurde. Solche Maschinen wurden mit richtigen Kohlen befeuert, fuhren also im Echtdampf-Betrieb – allerdings nicht auf Schienen, weil sie keine Spurkranzräder besitzen, wie heute Freitag (16.11.) bei der Pressebesichtigung zu lernen war. Zu sehen ist also keine Lokomotive sondern eben ein Lokomobil. Lokomobile wurden früher vor allem in der Landwirtschaft und bei Bauvorhaben eingesetzt.
Zu bestaunen sind eine riesige Modelleisenbahn-Anlage mit liebevoll gestalteter Landschaft und prächtigen Dörfern und Städten, Wagon- und Lokmodelle verschiedenster Spurweiten im direkten Vergleich oder Bahnhofsgebäude, Brücken und Tunnel aus Papier. Wie immer im Spielzeugmuseum gibt es für Kinder auch viel zu tun und zu spielen. Auf die ganz Kleinen wartet etwa eine hölzerne Brio-Bahn mit viel Zubehör.