Goldwäger und Rattengiftverkäufer
BAROCKMUSEUM / REMBRANDT-RADIERUNGEN
22/09/11 Sie klopfen an die Tür, die Bettlerfamilie und der Rattengiftverkäufer. - Wie in den Gemälden spiegelt sich auch in der Druckgraphik des niederländischen Barock das pralle Alltagsleben. Da machte Rembrandt als Radier-Künstler keine Ausnahme.
Von Reinhard Kriechbaum
Der Rattengiftverkäufer hat ein gutes Argument zur Förderung seiner Geschäfte. Er hat auf einer Stange einen Korb montiert, und darauf krabbelt eines der Tiere. Nobel geht es im Haus des „Goldwägers“ zu. Auf anderen Blättern sehen wir Bauern und Bürger, die man sich in ihren jeweiligen Gewändern, mit ihren Gesten und Mienen jederzeit in den Gassen und auf den Märkten einer niederländischen Stadt vorstellen könnte.
Aus Graz, von der Alten Galerie des Museums Joanneum, kommen die Rembrandt-Radierungen. Man hat dort eine ansehnliche Sammlung, 110 Stück, etwas über die Hälfte ist jetzt im Barockmuseum ausgestellt, im sorgfältig zurückgedrehten Licht. Denn solche Papierarbeiten sind empfindlich: Höchstens zehn bis zwölf Wochen darf man sie zeigen, und dann wandern sie wieder für zwei Jahre in die Graphik-Mappen. Obwohl man viele Motive dieser Rembrandt-Blätter kennt, hat die Schau also doch einen gewissen Raritätenwert: So oft bekommt man die Originale nicht zu sehen.
Rembrandt hat in der Radiertechnik Porträts geschaffen, Landschaften, Bibel-Illustrationen und die üblichen Genreszenen. Der pissende Mann und die pissende Frau dürfen nicht fehlen: So etwas verwundert den heutigen Betrachter, aber das eigenartige Motiv war damals eine geläufige „Fingerübung“ für bildende Künstler. Berühmte Selbstporträts sind natürlich auch zu sehen, auch solche von der Mutter des Künstlers und von seiner Frau Saskia.
„Es gibt noch die Kupfer-Druckplatten“, erklärt die Grazer Sammlungskuratorin Karin Leitner-Ruhe. Daher ist die Frage: Sind es wirklich echte Blätter aus der Rembrandt-Zeit oder spätere Abzüge? In Graz hat man die Arbeiten auf 2006 hin (das war ein Rembrandt-Jahr, sein 400. Geburtstag) genau erforscht, die Papiere und ihre Wasserzeichen untersucht. Was hier in den Vitrinen liegt, ist also unzweifelhaft echt. Der Versicherungssumme nach übrigens die wertvollste Ausstellung in der neueren Geschichte des Barockmuseums.
Interessant sind einige Studien von Frauenköpfen, Damen unterschiedlichen Alters. Interessant, dass Rembrandt zur vergleichsweise aufwändigen Methode des Radierens griff und nicht mit dem Bleistift „übte“. Er habe die Blätter für seine Werkstatt, seine Schüler vervielfältigt, erklärt die Kunsthistorikerin.
Im übrigen hat Rembrandt auch selbst für steigenden Marktwert seiner Radierungen gesorgt, indem er die Platten immer wieder überarbeitete, von den gleichen Motiven nach und nach also mehrere Fassungen lieferte. Bis zu zwölf „Zustände“ (so das Fachwort) lassen sich bei mancher Rembrandt-Arbeit nachweisen, und es war schon im 17. Jahrhundert Ehrgeiz der Sammler, die Zustands-Folgen möglichst komplett zu haben.