Staats- und noch viel bessere Künstler
SALZBURG MUSEUM / ART ROYAL
07/06/17 Wer den hübschen musizierenden Engel, der ein Vorgängermodell unserer Violine spielt, gezeichnet hat, ist nicht überliefert. Aber etwas ist bekannt: Letzte Hand an die Zeichnung eines italienischen Zeitgenossen hat Peter Paul Rubens gelegt. Er hat das Blatt also wohl einer großmeisterlichen Verbesserung für würdig empfunden.
Von Reinhard Kriechbaum
Viele andere Blätter, die nun im Salzburg Museum zu sehen sind, kann man eindeutig Größen aus der Kunstgeschichte zuordnen: Den Profilkopf eines bärtigen Alten hat Andrea del Sarto um 1520 gezeichnet, und an diesem Werk könnte man ganz wunderbar das Menschenbild der Renaissance erklären. Das gilt natürlich beinah vorbildhaft auch für „Patriarchen und Apostel“ von Giorgio Vasari, der vor allem ein namhafter Kunsttheoretiker seiner Epoche war und auf dieser Zeichnung nach 1571 zwei Figurengruppen in gar wundersamer Ausgeglichenheit einander gegenüber stellte. Michelangelo hat einen nackten Mann wohl, wie man aus dem feinnervigen, fast eiligen Duktus dieses Blatts herauslesen mag, als Studie rasch hingeworfen.
Albrecht Dürer hat eine Studie der heiligen Barbara nicht nur signiert, sondern auch das Entstehungsjahr – 1521 – dazu geschrieben. Eine Dame mit Haarknoten schaut sehr züchtig aus, und tatsächlich: Da ist nicht eine eitle Adelige Raffael Modell gesessen, sonder das Blatt ist eine Studie für eine Allegorie – so stellte man sich in der Renaissance das Antlitz der Nächstenliebe vor, also so etwas wie die Mutter Teresa.
Was für ein Kontrast zu jenen beiden Galgenvögeln, die auf eben diesem endeten! Ludovico Carracci hieß der Schöpfer dieses Blattes, das uns vorführt, wohin böse Taten führen können.
Die Ausstellung „Art Royal“ mit etwa achtzig Zeichnungen des Musée du Louvre ist ein sehr, sehr gutes Gegengeschäft für Salzburg. Die Kooperation hat ja damit begonnen, dass Salzburg unter dem Titel „Geste baroque“ von Oktober 2016 bis Jänner 2017 hiesige Meisterwerke präsentierte. Jetzt also revanchiert sich der Louvre mit „Art Royal“ für die Salzburger Art episcopale.
Wenn man es zur Zeit des Sonnenkönigs zum „Premiers peintres du roi“ dann konnte man mit seinen Kollegen wirklich sagen: Wir Staatskünstler... Was ein solcher „Erster Hofmaler“ auf Leinwand brachte, galt als königliches Eigentum. Charles Le Brun und Pierre Mignard arbeiteten für den Roi de Soleil, Ludwigs XIV. Der hat es sicherlich goutiert, wie ihn Le Brun auf dem pferd reoitend, als junger Mann über einen leblos am Boden liegenden Feind triumphieren ließ.
Aber dieses Beispiel ist eher etwas, was man nur als „Drüberstreuer“ in die Ausstellung mit aufgenommen hat. In der Hauptsache geht es um die ganz außerordentlichen zeichnerischen Schätze des Louvre. Wie kam der König (und nach der revolution eben das im ehemaligen königlichen Schloss untergebrachte Museum) zu all diesen Kostbarkeiten?
Es war damals alles andere als normal, dass sich jemand dem Sammeln von Zeichnungen widmete. Das Riesenkonvolut ist mit dem Namen Everhard Jabach verknüpft. Der Kölner Kaufmann und Bankier Everhard Jabach (1618–1695) hatte seinen Wohnsitz seit 1638 in Paris und sammelte alte und zeitgenössische Kunst. Er war Bankier, Direktor der Ostindienkompanie, Direktor der Königl. Tapisseriemanufaktur Aubusson und stand in der Gunst von Kardinal Mazarin. Bereits sein Vater besaß eine Kunstsammlung, die Jabach im Bereich der bildenden Kunst ausbaute. Dabei arbeitete er mit Kunstkennern und Sammlern zusammen. Jabach kaufte auch Kunstwerke aus der Sammlung König Charles I.
Besonderes Augenmerk legte Everhard Jabach auf Zeichnungen, ja er war einer der ersten überhaupt, der dieses Medium des Sammelns würdig erachtete. Darüber hinaus sammelte er – für Frankreich völlig neu – „nordische“, also deutsche und niederländische Arbeiten. Es kam also nicht von ungefähr, das sich Jean-Baptiste Colbert, Finanzminister des Sonnenkönigs, fast neun Jahre darum bemühte, Werke aus der Sammlung Jabachs für den König zu erwerben. Die Investition in Kunst war für ihn ein wesentlicher Punkt im stetigen Bemühen um das königliche Prestige. 1662 erstand der König einen ersten, aus Gemälden bestehenden Teil der Sammlung. Darunter befand sich unter anderem „Johannes der Täufer“ von Leonardo da Vinci, die „Allegorie der Tugenden“ von Correggio oder der Gemäldezyklus zur „Herkuleslegende“ von Guido Reni. 1671 gelangten zudem noch 101 Gemälde und 5.542 Zeichnungen in das „Cabinet du roi“.