Zynische Machthaber, zynische Terroristen
KUNSTVEREIN / STAN DOUGLAS, LEYLA AYDOSLU
09/05/16 Eine neue Videoinstallation von dem Kanadier Stan Douglas im Salzburger Künstlerhaus visualisiert „The Secret Agent“ von Joseph Conrad im Spiegel von Verfilmungen des Romans.
Von Werner Thuswaldner
Joseph Conrad (1857-1925), der mit seinem eigentlichen Namen Józef Teodor Nałęcz Konrad Korzeniowski hieß, war einer der bedeutendsten britischen Schriftstellern seiner Zeit. Seine Werke, darunter der Roman „The Secret Agent“ (Der Geheimagent“) von 1906, wurden später des Öfteren künstlerisch „weiterverwertet“. Die erste Übersetzung dieses Romans ins Deutsche stammt übrigens von Thomas Mann. Mehrfach wurde „Der Geheimagent“ verfilmt, unter anderen 1936 unter dem Titel „Sabotage“ von Alfred Hitchcock.
Für den kanadischen Künstler Stan Douglas aus Vancouver dient der Roman – und dessen filmische Interpretationen – als Vorlage für eine Sechskanal-Videoinstallation. Sie ist nach Ausstellungen in New York und London nun im Salzburger Künstlerhaus zu sehen. Ihn interessiert an dem Stoff, wie ein politisches System durch ein anderes abgelöst wird. Es ist nicht übertrieben, von einer äußerst komplexen Arbeit zu sprechen.
Die Zeit der Handlung des Thrillers ist 1886. Adolf Verloc, der Titelheld, arbeitet in London für eine geheime Gruppe von Anarchisten. Von seinen Auftraggebern wird er ausersehen, ein Attentat zu begehen, das Observatorium von Greenwich in die Luft zu sprengen.
Stan Douglas erzählt nicht bloß nach, er wählt eine andere Zeitebene und bezieht sich auf das Jahr 1976, als in Portugal das diktatorische Regime von Salazar gestürzt wurde. Ihn interessieren die Kräfte, die dabei ins Spiel kamen. Die Bombenbauer auf der einen Seite und die Vertreter der Diktatur schenken einander nichts. Es gibt nicht die Guten und die Bösen. Beide Seiten gehen mit vergleichbarer Brutalität vor.
Die Vorführung im Ausstellungssaal des Künstlerhauses hat es in sich. Der Raum ist finster, auf den Längsseiten sind auf jeder Seite drei große Screens, auf denen Abwechselnd oder auch zugleich Bildsequenzen erscheinen. Als Zuschauer steht man irgendwo in der Mitte und ist in das Geschehen bis zu einem gewissen Grad einbezogen, verstrickt in politische, terroristische Konflikte, die sich einerseits als staatspolitische, andrerseits aber auch als „gewöhnliche“ Auseinandersetzungen zwischen Einzelpersonen erweisen. Spannung ist gegeben, für Empathie besteht kein Bedarf. Kaltblütig und zynisch laufen die Operationen der Beteiligten ab.
Stan Douglas will nicht weniger als die Strukturen terroristischer Aktivitäten sichtbar machen. Der Einsatz ist hoch, die Voraussetzungen, die Besucherinnen und Besucher mitbringen sollen, nicht minder.
Im Kabinett wird eine Installation der jungen belgischen Künstlerin Leyla Aydoslu gezeigt. Sie ist Malerin, liebt es aber in die dritte Dimension vorzustoßen. Im Vorraum ist man eingeladen, durch ein Rohr zu schauen. Das ist kein bloßes „In-die-Röhre-Gucken“, sondern macht neugierig, was sich im Raum nebenan befindet. Dort hat Leyla Aydoslu Einbauten fabriziert, die an ein Kellergeschoß erinnern mit Leitungen und Abtrennungen. Als Baumaterial dienen ihr Fundstücke, ausgediente Sachen, die keiner mehr braucht, von einem Schutthaufen, aus einem unbewohnten Haus oder Abfall. Das Sympathische: Es gibt keinen Anlass für Klaustrophobie, denn ein kleines Fenster bietet Ausblick ins Freie.
Im Cafe Cult hängt ein neues Bild von Amira Willen, die am Mozarteum studiert. Sie erinnert uns auf sehr sensible Weise daran, dass das Wort „Gewebe“ mindestens zwei Bedeutungen hat: eine medizinische – Haut etwa bezeichnen wir als Gewebe – und eine, die aus dem textilen Bereich kommt. Und die Verwandtschaft kommt nicht von ungefähr, denn Haut und Gewebe erfüllen vielfach dieselbe Funktion: Schutz.