Der Charme des anatomischen Bild-Theaters
GALERIE MAM / JAVIER PEREZ
17/04/14 Der 1968 in Bilbao geborene, in Barcelona lebende Javier Pérez kam 2012 zur Festspielzeit zu Ehren einer Ausstellung: Damals ließ er Schuhpaare an Fäden vom Plafond des Karl-Böhm-Saals baumeln, so dass sie wie jene von Tänzern beinah den Parkettboden berührten. – Nun stellt Pérez in der Galerie MAM aus.
Von Reinhard Kriechbaum
Die Installation mit den Schuhe („Das Karussell der Zeit“) ist noch in Erinnerung, und Mario Mauroner hat Arbeiten des Spaniers schon mehrmals präsentiert. Skulptur, Fotografie, Zeichnung, Video und Performance – das gehört alles zum Gesamtbild dieses Künstlers, der quasi in ganz unterschiedlichen Sprachen spricht. Diesmal eine ganz eigenwillige, strenge, und doch die Sinne herausfordernde Sprache.
Im ersten Moment könnte man an das Transparentpapier denken, dass früher zwischen die Seiten von Fotoalben gebunden wurde. Diese hauchdünne Transparentfolie ist aber tierischen Ursprungs, es sind präparierte Magenhäute. Derberen Gemütern mag so etwas als Wursthaut dienen, hier sind die fein strukturierten, quadratisch zugeschnittenen Häute sorgsam auf Papier gespannt. Oft über einen güldenen Untergrund, der den Schicht-Aufbau deutlich macht und der Zeichnung obenaufeine noble Anmutung gibt.
„Ich beschäftige mich gerne mit Punkten der Begegnung zwischen Geist und Fleisch, zwischen Reinheit und Unreinheit, zwischen Schönheit und Entsetzen, zwischen Attraktion und Abneigung. Ich interresiere mich für die Offenlegung dieser Konzepte und dafür wie vieldeutig und reversibel sie sein können. Die Idee dahinter ist, die Menschheit mit ihren eigenen Konditionen zu konfrontieren und alles, was die Menschen erschreckend finden, in einem unwiderstehlichen Charme zu präsentieren. Die Idee ist, dass die Menschheit sich von ihren eigenen Eingeweiden angezogen fühlt.“ So der Künstler selbst.
Eingeweide? Gewebequerschnitte fallen einem spontan ein, Schnitte durch Gehirnpräparate vielleicht. Die feinästeligen Zeichnungen, kompakter manchmal, öfters aber ganz luftig und strukturbetont, sind immer streng geometrisch aufgebaut. Auch das verstärkt die Assoziationen an anatomische Schnitte, die wie mit dem Elektronenmikroskop betrachtet erscheinen. Charme, ja wirklich: Der Werkzyklus "Reticulae Natura" ist ein anatomischen Bild-Theater von hoher Imaginationskraft. Und wahrscheinlich ist in den im Wortsinn mehrschichtigen Arbeiten ja nicht nur die, wenn man's wörtlich übersetzt, "Natur des Netzes" gemeint, auch mehr als die Natur unseres Auges.