Das Weite gesucht – und Wien gefunden
GALERIE IM TRAKLHAUS / SALZBURGER IN WIEN
03/10/13 Sie sind Salzburger, aber sie leben, hauptsächlich oder wenigstens zeitweise, in Wien. Das ist nichts Außergewöhnliches. Die Ringstraße wäre nicht gebaut und das Burgtheater nicht berühmter als das Stadttheater von Karlsbad geworden, wenn es nicht seit je her Künstler in die Metropole gezogen hätte.
Von Reinhard Kriechbaum
Darf man deshalb sagen, dass die Ausstellung „Salzburger in Wien“ besser ist als das, was man sonst in der Galerie im Traklhaus an Salzburgischem zu sehen bekommt? Das wäre ein entschieden zu hartes Urteil gegenüber den Hiergebliebenen. Aber freilich ist es so: Die Ausstellung speist sich aus Beständen des MUSA (Museum Stadtgalerie Artothek) der Stadt Wien. Diese Einrichtung tätigt Förder-Einkäufe, fünfzig bis hundert Werke pro Jahr. Logischerweise ist dort die Bewerberzahl höher und die Selektion strenger, als wenn beispielsweise das Land Salzburg Werke heimischer Künstlerinnen und Künstler erwirbt. Das sieht man der Schau durchaus an.
Von Bernhard Hasenauer ist eine seiner typischen blassgesichtigen Figuren da. Der Mann hält ein Gewehr in Händen. Nein, man muss sich nicht erschießen in der Provinz, nicht mal in Salzburg. Der Weg nach Wien steht ja offen. 39 Künstlerinnen und Künstler sind in der Schau vertreten, die meisten mit je einem Werk. Gleich neben dem Hasenauer-Bild hängen zwei Kleinformate von Ursula Hübner, „Outsiders“ genannt. Man denkt unwillkürlich an Prostituierte. Mit Sich-Prostituieren hat das Künstlersein natürlich auch manchmal zu tun. Irene Andessner, die nächste in dieser Reihe figürlicher Darstellungen, tut das systematisch, sie schlüpft in die Rolle anderer Frauen, lässt sich so fotografieren. Erst ein paar Jahre ist es her, dass sie für eine Litfaßsäulen-Aktion das Outfit bekannter Salzburgerinnen angenommen hat. Im Traklhaus ist Irene Andessner freilich als Marlene Dietrich zu bewundern. Angeblich ist ihre Identifikation damals so weit gegangen, dass die Künstlerin für kurze Zeit sogar einen Herrn Dietrich geehelicht hat, damit auch der Name passt. Ob das Anekdote oder wahr ist?
Dietgard Grimmer, der Leiterin der Galerie im Traklhaus, und ihrem Wiener Kollegen Berthold Ecker, der dort fürs MUSA und die Ankäufe zuständig ist, fallen zu fast jedem Bild irgendwelche persönlichen Dinge ein. Peter Fritzenwallner hat in Wien eine eigenartige Kunst-Demonstration veranstaltet: Details aus (zeitgenössischen) Kunstwerken, auf Holz aufgezogen und auf Stangen befestigt: So zog das Menschengrüppchen über den Ring, und mancher Zaungast mag sich verwundert gefragt haben, wofür oder wogegen die da eigentlich demonstrieren. Bilder und die Umtrage-Objekte sind das allerneueste Werk in der Schau der Salzburger im frei gewählten Wiener Exil.
Manches Werk ist schon älteren Datums – Rudolf Hradil und Herbert Breiter haben ja auch Zeit in Wien verbracht. Die typischen Kuben in Rot, Blau, Gelb – richtig, ein Bild von Roland Göschl. Ein gebürtiger Salzburger (Jahrgang 1932), da schau her. Vielen Namen begegnet man, bei denen man erst in dieser Schau mit der Nase drauf gestoßen wird, dass die Leute gar nicht mehr oder nur noch partiell in Salzburg ansässig sind. Werner Würtinger war lange Zeit Assistent von Bruno Gironcoli – er ist gebürtiger Halleiner. Die famose Fotografin Margherita Spiluttini ist in Schwarzach zur Welt gekommen. Anton Steinhart, 1889 in Salzburg geboren, ist der bei weitem Älteste in dieser Schau.
Für den einen oder anderen war auch Wien nur Durchgangsstation, Markus Schinwald zum Beispiel hat es nach Los Angeles gezogen, Christian Schwarzwald ist jetzt in Berlin, ebenso Bertram Hasenauer. Wilhelm Scherübl ist nach seinem Wien-Intermezzo als Student wieder in seine Heimat, nach Radstadt, zurückgekommen.
Viele Salzburger sind des Studiums wegen nach Wien gegangen, dannn wieder zurück nach Salzburg gekommen: Das gilt für Anton Drioli genau so wie für Bernhard Gwiggner. Zwischen Wien und Salzburg pendelt Lois Renner.
So unterschiedlich wie die Biographien im Einzelnen sind natürlich auch die Stile und die Medien. Von Manfred Grübl, einen Tamsweger, den es nach Wien verschlagen und der sonst in Salzburg gar nicht mehr präsent ist, kann man zum Beispiel eine Ton-Installation mit Lautsprechern sehen. Diese melden sich abwechselnd zu Wort und tun ihre Marke kund. Weil mancher der Wiener Kunst-Ankäufe zurück reicht in studentische Zeiten der jeweiligen Künstlerinnen und Künstler, kann man sich gelegentlich auch ehrlich wundern. Thomas Baumann (geboren in Altenmarkt) ist in Salzburg präsent mit seiner bewegten Lichtskulptur an der Schwarzstraße, vor dem Landestheater. In der Ausstellung ist aber eine ganz frühe Bildhauerarbeit zu sehen, eine bronzene „Kuh im Windkanal“.
Hans Scheirl ist einer jener Künstler, die in Salzburg auch nicht mehr vorkommen. Auffällig sein „Blaues Selbstporträt“, ein Trans-Gender-Akt als Schiele-Paraphrase. Eine Ausstellung alles in allem, die einen nachdenken lässt über Unterschiede der Kunst im lokalen und im hauptstädtischen Umfeld. Hinauszuziehen in die weite Welt hat jedenfalls noch keinem Künstler geschadet.