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Was Fotos und zwei ältere Herren erzählen

FOTOHOF / WILHELM SCHÜRMANN, BODO HELL

26/03/13 Im hellen Mantel stehen sie an der Busstation, die beiden weißhaarigen Damen. Nein, nicht Zwillinge, sondern Mutter und Tochter. Aber das weiß nur der Fotograf. Dass sie so völlig gleich ausschauen, liegt wohl am Kleppermantel. Nicht einmal mehr im Secondhand-Shop täte man so etwas heute kriegen.

Von Reinhard Kriechbaum

Die Tapeten mit Blumenmotiven täte auch niemand mehr an die Wohnzimmerwand kleben. „Wegweiser zum  Glück“ heißt die Fotoserie, ein Klassiker der Dokumentarfotografie von dem Deutschen Wilhelm Schürmann. Ende der siebziger Jahre hat Schürmann das alles fotografiert, in Dortmund, wo er wohnte. Nachbarn hat er daheim besucht, Leute auf der Straße abgelichtet.

Die Ikonen der Wiederaufbaugeneration begegnen uns: die allerneueste Waschmaschine und sogar schon ein Geschirrspüler. Wie Hausaltäre stehen sie da. Zu jedem Bild fällt Wilhelm Schürmann etwas ein, zur Situation, zu den abgelichteten Menschen. Warum hält Herr Alois Thaddäus seine Zigarette so auffällig? Warum hat ein anderer Mann Tauben-Bilder an der Wand hängen? Und warum die Schautafel einer menschlichen Lunge im Ordinationsraum eines Arztes? Bergmann war ein üblicher Beruf im Ruhrpott, und Lungenkrankheiten waren verbreitet…

Unaufgeregt wirken diese Fotografien, die doch so präzis ein Lebensgefühl mitteilen. „Wegweiser zum Glück“ steht auf einem Taschenbuch, das einer der Fotografierten in der Hosentasche stecken hatte. So kommt es zum Ausstellungs- bzw. Buchtitel. Wilhelm Schürmann, ein Altmeister der Autorenfotografie, sagt von sich: „Ich war immer mein eigener Auftraggeber.“ Zu Salzburg und speziell zur Galerie Fotohof hat Schürmann innige Beziehung. Er unterrichtete an der Internationalen Sommerakademie für bildende Kunst, hielt Kurse – war damit einer der geistigen Mentoren des Fotohofs. Deshalb diese Ausstellung, mit der man ihm verdienten Tribut zollt.

Im Stadtwerk Lehen schaut Wilhelm Schürmann auf die Rohbauten, entdeckt ein zusammengerolltes Kabel und sagt beinah belustigt: „Mit geübtem Blick durchaus kenntlich als kunst-tauglich“. Einen solcherart geübten Blick fürs kunst-taugliche Motiv hat auch der Schriftsteller Bodo Hell bewiesen, für sein 1983 veröffentlichtes Buch „Stadtschrift“. Durch Wien ist Hell damals gefahren, mit der Buslinie 13A. Da waren Augen und Fotoapparat genau auf der Höhe der Geschäftsschilder. Die Aufnahmen hat Hell kombiniert, tollkühn und ur-witzig, spöttisch und hintersinnig.

„Manna Konserven“ – so etwas hat einen Hinter-Sinnler und Querverweiser wie Bodo Hell natürlich angeturnt. Geschäftsleute wollten immer schon hoch hinaus: Kosmos – Universum – Saturn – Nordstern, was für ein hochkarätiges Unternehmensportfolio! Aber bei allem Ehrgeiz: Niemand getraute sich heutzutage, angesichts der globalisierten Welt, sein Geschäft „Welt & Co“ zu nennen. War der Begriff „visuelle Poesie“ in den frühen achtziger Jahren eigentlich schon geprägt?

Der Schriftsteller Bodo Hell (eben siebzig geworden) und der Fotograf Wilhelm Schürmann laufen zur Vollform auf, wenn sie vor den Bildern ins Sich-Erinnern und ins Erzählen geraten. Bei der Pressebesichtigung der neuen Schau im Fotohof haben sich die beiden gegenseitig angestachelt. Als staunender Beobachter drängte sich unwillkürlich der Wunsch auf: Mögen doch nicht bloß die Fotos, sondern auch die beiden gesprächigen alten Herren über die gesamte Ausstellungsdauer hinweg da bleiben!

Wilhelm Schürmann, „Wegweiser zum Glück“, Bodo Hell, „Stadtschrift“. Bis 18. Mai in der Galerie Fotohof. – www.fotohof.at
Bilder: Galerie Fotohof

 

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