… des Lebens bunte Scene
GALERIE ALTNÖDER / GERHARD RÜHM
31/01/13 „Musica Erotica“ heißen einige Blätter: eine Frau mit weit offenem Mund, links und rechts Notenlinien mit wüsten Tonleitern. Aber wer weiß, vielleicht verschafft dieser Sängerin nicht nur die Freude an Musik größte Lust. Die Galerie Altnöder zeigt, gut passend zur Mozartwoche, „Facetten visueller Musik“ von Gerhard Rühm.
Von Reinhard Kriechbaum
Unbewusst, höchste Lust … hoppla, falscher Film. Das ist Jahresregent Wagner. Gerhard Rühm bleibt beim Genius loci. Bei „Bastien und Bastienne“ beispielsweise. Ausgehend von Mozarts Singspiel hat er „Sechs Arienbilder einer Neuinszenierung“ gemacht. „Bloß des Liebsten Gunst kann zum Vergnügen taugen“ heißt es in einer Arie, und es ist nicht die einzige, die der Sprachspieler Gerhard Rühm wortwörtlich nimmt. In alten Pornoheften schnipselt er herum, und er montiert dort gefundene Anzüglichkeiten mit den entsprechenden Takten aus dem Klavierauszug. „Alles, was nur zu erdenken, ward ihm ja von mir gegönnt“ – Bastiennes Herrenspende ist deutlich großzügiger ausgefallen, als man sich das gemeinhin so vorstellt, wenn man in der Oper sitzt.
Ein Schelm, wer so sensibilisiert auch in anderen Arbeiten des österreichischen Altmeisters nach Anzüglichkeiten sucht. Vergleichsweise unverfänglich die „Klangkörper“ – unbeschriebenes Notenpapier, das Rühm so schneidet und zusammenklebt, dass sich von den Seiten vexierbildartig Körper-Silhouetten abzeichnen. Deutlicher wird er schon im Blatt „Nocturne“. Da braucht es nicht gar viel Fantasie, die über die Notenlinien gemalten, geschwungenen Linien als zwei sich aneinander schmiegende Körper zu deuten. Und gleich daneben das Blatt Kadenz: Jaja, so kann’s weitergehen.
Auf die 83 steuert Gerhard Rühm zu. Der Mitbegründer der "Wiener Gruppe" (um 1954 bis 1964) gibt sich bewunderswert vital. Die ersten Blätter, die Rühm „Visuelle Musik“ nannte, entstanden 1976. Sie waren ursprünglich als Beilage für eine Schallplattenedition gedacht. Im Lauf der Jahre entwickelten sich daraus eine eigene Gattung mit mehreren Werkgruppen in verschiedenen Techniken wie Zeichnung, Tuschmalerei oder Collage. So manche „Leselieder“ hat Ruhm im Lauf von Jahrzehnten gemacht, halb ironisch, halb sprachspielerisch.
In der Musik kennt er sich aus, in der Literatur ebenso. „Bald entflieht des Lebens bunte Scene“, heißt es in einem Mozart-Lied. Aber noch zeigen die Damen auf der Collage Bein. Die „Gärtnerin aus Liebe“ freilich scheint irgendwo mit ihrem Einkaufswägelchen in der Schlange vor der Supermarktkasse versumpert zu sein. „Was soll ich tun?“, heißt es in den zugeordneten Noten.