Der zarte Zeichner mit dem barocken Sinn
GALERIE WELZ / HANNES MLENEK
27/01/12 „Viel Urgewalt“ heißt eine Arbeit aus dem Jahr 2009. In die Silhouette aus schwarzen Strichen wird man unschwer einen Bodybuilder hinein interpretieren. Die Dicke der Arme lässt mächtige Muskelpakete vermuten. Ein Atlant bei der Morgentoilette, kurz vor Dienstantritt an einer barocken Fassade?
Von Reinhard Kriechbaum
Spannend im Werk von Hannes Mlenek sind die große, ausufernde Geste einerseits und der Zugang über die eigentlich intime Form der Zeichnung andrerseits. Solch spontanes Zeichnen kann sich bei ihm freilich auch auf mehreren Quadratmetern, auf Riesenflächen gar entfalten. Zehn Jahre ist es her, da hat ihn die Galerie Welz die Sala terrena in der Salzburger Residenz bespielen lassen, und Mlenek hat locker die Konkurrenz zur Säulenhalle, zu den kräftigen Grotesken in den Gewölbefeldern aufgenommen. Vor drei Jahren lud man ihn zu einem „Work in progress“ ins Wiener Künstlerhaus, wo man den Boden eines ganzen Stockwerks – 600 Quadratmeter! – mit Leinwand bespannte und den Künstler zwei Wochen lang allein ließ mit seinen zeichnerischen Vulkankräften.
Auch die Ausstellung in der Galerie Welz zeigt: In vielen seiner Arbeiten gelingt Hannes Mlenek eine ganz eigenwillige, für ihn typische Kreuzung zwischen gleichsam barockem Gestus und Beschränkung der Mittel. „Hannes Mlenek ist einer der wenigen Künstler in Österreich, der mittels dem Medium der Zeichnung Formate von monumentalen Größen bis hin zu installativen Umsetzungen bewältigen kann“, schreibt Silvie Aigner in einem Katalogtext.
Der 1949 in Wiener Neustadt geborene Künstler bleibt gerne beim Papier, wo andere längst die Leinwand aufspannen. Ölstick, Acryl, Sand-Applikationen: Englisches Aquarellpapier verträgt kräftigen Zugriff, und auch da wieder ist die Diskrepanz zwischen empfindlichem Untergrund und emotionalem malerischen/zeichnerischen Prozess spür- und greifbar. „Gefühlswirbel“ oder „Bereitschaft“, „Symphonie der Gefühle“ oder „Exaltierte Intensität“: Schon die Titel vermitteln einen hohen Grad an seelischer Exaltiertheit. Die erotische Komponente ist hoch, mag auch Ausgangspunkt sein für eine Serie von kleinformatigen Blättern mit dem Titel „Physical Dynamics“ (so hieß bereits die Ausstellung bei Welz im Jahr 2008).
Abstraktion mündet bei Mlenek, einem Fronius-Schüler, nie in Gegenstandslosigkeit. Der Männer- und Frauenakt als meisterlich eingefangene Silhouette bleibt immer deutlich. „Aggregatzustand“ heißt eine großformatige Arbeit, und über einen solchen kann man tatsächlich oft nachdenken: Befinden sich die Figuren in Auflösung, haben sie ihre Leib-Haftigkeit verloren und weicht das Körperhafte den sparsamst eingesetzten malerischen Interventionen, zarten Farbflächen und -klecksen in Grau- und Rot-Tönen?