Lesbe sein in St. Petersburg
GALERE FOTOHOF / STATE OF MIND
05/09/11 Lesben stehen im Mittelpunkt. „Familie“ ist ja doch eher ein reaktionäres Konstrukt zur Aufrechterhaltung des Pensionssystems. Die Ausstellung von Annica Karlson Rixon und Anna Viola Hallberg jedenfalls erzählt von den Lebensumständen lesbischer und bisexueller Frauen in Russland.
„State of Mind ist eine Ausstellungsinstallation, die sich mit den „Lebensumständen lesbischer und bisexueller Frauen in Russland auseinandersetzt und diese im Kontext von öffentlicher Moral, Rechtslage, gesellschaftlichen Vorurteilen und Forderungen von Betroffenen untersucht“, schreibt die Galerie Fotohof über ihre neueste Ausstellung.
Die schwedischen Künstlerinnen Annica Karlsson Rixon und Anna Viola Hallberg greifen vor allem zu Fotoapparat und zur Videokamera. So weit so altmodisch. „State of Mind“ diskutiert aber gendermäßig brandaktuelle Themen wie „zugewiesene vs. selbstgewählte Identität“, „Zugehörigkeit versus Entfremdung“, „Defizite versus Potenziale gleichgeschlechtlicher Partnerschaften“. Die im Fotohof präsentierte Werkgruppe von Rixon/Hallberg ist zusammen mit Resonance und Code of Silence „Teil einer Trilogie, die sich in unterschiedlicher Art und Weise mittels Foto- und Filminstallationen „mit Aspekten der Konstruktion von sozialen und kulturellen Gruppenidentitäten innerhalb einer modernen Gesellschaft auseinandersetzt“. Ist die russische Gesellschaft schon eine solche?
Mit Fotografie und Video wollen die beiden Künstlerinnen auch unabhängig vom „Geschlecht, das hinter der Kamera steht, bewährte Gattungen Dokumentarfilm, Interview und Porträtfotografie erweitern oder neu erfinden. State of Mind ist ein Diskussionsbeitrag zu Identitätspolitiken und gesellschaftspolitischer Entwicklungsperspektiven. Es eröffnet einen exklusiven Blick auf eine spezielle Gruppe in St. Petersburg, die sich durch selbst bestimmten Aktivismus und Behauptungswillen auszeichnet mit Geschichten aus selbstbewusst lesbisch/bisexuell definierten Lebensentwürfen in russischen Großstädten.“
Interessant ist das Ganze durchaus: Immerhin sprechen in den Videos von Rixon/Hallberg 38 Personen über Politik, Ost-West, ihr Privatleben, Konflikte und Auseinandersetzungen, aber auch über Zukunftserwartungen. Und „der/die Mensch“ ist ja seit ein paar tausend Jahren Thema der Kunst.
Themen Herrschaft und Demokratie, Gemeinschaft und Frauenrechte. Die Geschichten handeln von persönlichen wie allgemein politischen Aspekten aus dem Alltagsleben der Porträtierten. Die interviewten Personen sind zwischen 17 und 67 Jahre alt. Es sprechen Journalistinnen, Studentinnen, Psychologinnen, Tänzerinnen, Ärztinnen, Büroangestellte, Rockstars, Hausfrauen usw. Die Großformatportraits zeigen Familien, Freunde und Partner, die meisten von Ihnen Aktivistinnen, die sich in ihrem jeweiligen Bereich engagieren. „Dabei kann es sich um Veranstaltungen und Partys im privaten Bereich handeln, den Vertrieb von Videos, Publikationstätigkeiten oder die Organisation von Diskussionsforen im Internet.“ (Fotohof)