So jung sind die „Ex-Wilden“ geblieben
GALERIE ALTNÖDER / GENERATION 1951±
31/09/11 Vor dreißig Jahren haben sie ordentlich aufgemuckt, als „Neue Wilde“. In einer Zeit, da der konzeptuelle Ansatz gleichsam als Evangelium gilt, haben die Jungen damals die großen Farbtöpfe geöffnet und den breiten Pinsel eingetaucht. Es wurde gemalt und sie haben sogar (wieder) gegenständlich gemalt.
Von Reinhard Kriechbaum
Ein Großteil der Künstler, von denen Ferdinand Altnöder für die Ausstellung „Generation 1951±“ neue und neueste Arbeiten zusammengetragen hat, gehörte Anfang der achtziger Jahre zu den „Neuen Wilden“: Siegfried Anzinger, Erwin Bohatsch, Johanna Kandl, Josef Kern, Alois Mosbacher, Thomas Reinhold, Hubert Schmalix, Thomas Stimm, Ingeborg Strobl, Lois Weinberger – sie alle haben eine sie verbindende gemeinsame Vergangenheit. Sie haben eine mehr oder weniger gegenständliche, von Spontanheit und Emotion getragenene Malerei gleichsam neu definiert. Eine ideologisch zusammengeschweißte „Gruppe“ waren sie nie, aber zumindest Verwandte im (Frei)Geist. Die Bezeichnung „Neue Wilde“ bezeichnete damals mehr die Einstellung als den jeweiligen Inhalt und die Absichten bildnerischen Schaffens.
Wer als Nicht-Gruppe beginnt, entwickelt sich logischerweise in unterschiedliche Richtungen. Keine Frage. Und wer einst zeitgeistig kraftvoll gegen den Strom geschwommen ist, dem ist künsterische Eigenständigkeit auch auf Langstrecke zuzutrauen. „Franz West erhielt als erster Österreicher einen Goldenen Löwen der Biennale Venedig. Lois Weinberger erregte internationales Aufsehen bei der documenta X und der letzten Biennale. Alois Mosbacher überzeugte in Graz und Basel, Siegfried Anzinger in Linz mit neuesten Werken: Die Generation von Künstlerinnen und Künstlern, die um 1951 in Österreich geboren wurde, ist auch nach dreißig Jahren Präsenz noch maßgeblich am heutigen Kunstgeschehen beteiligt“, sagt Ferdinand Altnöder. Viele dieser Künstler hat er als Galerist über Jahre und Jahrzehnte begleitet, seit 26 Jahren gibt es seine Galerie. Die „Ex-Wilden“ sind Teil der Galerie-Identität.
Nun zeigt also eine Schau, wo die ungefähr Sechzigjährigen heute stehen. Johanna Kandl führt uns in ihrem Tableau „Philosophen“ auf einen Marktplatz, wo auf Verkaufsständen wohlfeil die großen Denker, aber auch Protagonisten der Wirtschaft bereit liegen (als Namenszug). Was Bill Gates, Greenspan oder Soros in dieser Umgebung zu suchen haben? Die Philosophie des Geldes wohl …
Auch Alois Mosbacher führt uns im Blatt „Eden“ auf philosophische Fährten. Unschuldige (Clon)Schafe, Technik-Müll: Unser Leben gehörte wohl radikal reflektiert, und das Wort „Ökologie“ greift wahrscheinlich zu kurz.
„Veget-Arier“ hat Josef Kern aufgestöbert, eigenartige Fabelwesen, die gar nicht harmlos wirken und womöglich höllengeneriert sind. Da freut man sich über Siegfried Anzingers nette, ironische Geschichten oder über einen asiatischen Akt von Hubert Schmalix. Ingeborg Strobl lässt kleine Soldaten-Männchen einen Apfel stürmen. Lois Weinberger hat „Erdhügel“ (in Wirklichkeit: bemalte Aluminiumskulpturen) sorgfältig mit frisch gebügelten Taschentüchern bedeckt. Seine vermeintlich aus ein paar Holzlatten zusammengenagelte „Gartenbank“ kann man nicht so einfach wegtragen – auch sie ist in Wirklichkeit aus Aluminium gegossen und wiegt über hundert Kilogramm.
Erwin Wurm gehörte nicht zu den „Neuen Wilden“. Von ihm ist ein älteres Werk zu sehen, ein zerknautschter roter Blecheimer. Auch Franz West kommt nicht aus der einst „wilden“ Ecke. Seine Collagen sind die teuersten Werke der Ausstellung, jedes der vier Blätter kostet 65.000 Euro. Österreichische Kunst bekommt nicht nur internationale Preise, sie hat auch ihren Preis.