Malerei als Bergwerk der Gefühle
GALERIE ROPAC / ANSELM KIEFER
12/08/11 Das Werk von Anselm Kiefer ist ein Eldorado für Kunstinterpreten. Es ist voll von Anspielungen auf Literatur, Philosophie, Mythen und Religion. - Die Schau „Alkahest“ in der Galerie Ropac. Weiters: Zeichnungen von Robert Wilson und ein Tanz-Zyklus von dem Pop-Künstler Alex Katz.
Von Wolfgang Richter
Wie viel Wissen (über Hölderlin, Goethe, Heidegger, Fulcanelli, die Bibel und nordische Mythen) ist erforderlich, um sich darin zurecht zu finden? Oder handelt es sich hier ganz einfach um eine künstlerische Strategie labyrinthischer Verflechtungen von kulturellen Traditionen, die dem Künstler den Nährboden bilden? Kann es sein, dass nur der belesene, sehr gut gebildete Betrachter die Botschaft versteht? Oder ist Bilderfahrung nicht in erster Linie ein Diskurs der Wahrnehmung?
Wird hier nicht der diskursive, im Medium der Schrift und der Erzählung festgehaltene Erzählstrom in das präsentative Medium der bildenden Kunst transformiert?
„Alkahest“ lautet der Titel der Ausstellung in der Galerie Ropac, die in der Villa Kast am Mirabellplatz und in der Halle in der Vilniusstraße zu sehen ist. Möglicherweise von Paracelsus aus arabischen Wörtern gebildet, bezeichnet das Wort ein universelles Lösungsmittel, mit dem jede Substanz aufgelöst, verdünnt werden kann, es steht aber auch für jenes Elixier des Lebens, welches aus dem Stein der Weisen gewonnen wird.
Diese Grundidee der Alchemie, die Verwandlung von Materie, damit verbunden aber auch eine innere Verwandlung, liefert Kiefer den Antrieb für Bildfindungen, in denen er das Gestein – Rohstoff für viele Pigmente – und die Energie, die in den geologischen Prozessen der Gebirgsbildungen steckt, als Metapher der Transformation begreift: Malerei als Bergwerk der Gefühle also, Bilder als energetische Sedimente, der Malvorgang als erodierender Prozess, ausgetragen mit den elementaren Materialien Wasser und Gestein/Pigment, als Verwandlung von Materie.
Auf mehreren Ebenen lesbar – Simultanwerke gewissermaßen – sind die Werke konkret- anschauliches Abbild der Idee von Energie und Transformation des Materials, aber auch zu lesen als zerklüftete Gesteinsformationen und Gebirgsmassive, eingefasst von Wolkenbändern, aus dem Erdboden geschoben und begrenzt von einer Himmelszone: Himmel und Erde also als archetypische Anknüpfungspunkte. Doch damit nicht genug, auf die Leinwände applizierte Gegenstände bringen eine erweiterte Dimension der Präsenz ein, die Magie der Objekte. Und schließlich verweisen die eingeschriebenen Textzitate auf die Referenzen, gewissermaßen als Fußnoten. Und noch etwas: eine Serie von Fotoübermalungen setzt das Thema der Verwandlung in einen regionalen Zusammenhang. Mindestens bis in die Römerzeit reicht der Erzabbau an der Nordkette zurück, als fotografische Reminiszenz verortet Kiefer hier das Thema der Verarbeitung. Die Verknüpfung mit Mythen und Sagen verstärkt er mit Aufnahmen vom Grimming, der als Ort der Kraft zu den höchsten freistehenden Bergen Europas zählt. Die markante Erscheinung beider Berge mit ihren aufstrebenden Felsfluchten findet in den Zerklüftungen der Bilder ein gemaltes Pendant.
Also doch auch ein Eldorado für die Sinne, in seiner Üppigkeit eine Herausforderung im Reigen der Festspielausstellungen.
Dazu sind Zeichnungen von Robert Wilson zu sehen, die vor, während und nach der Serie von Video-Porträts entstanden sind. Auf keinen Fall versäumen sollte man den ganz aktuellen Zyklus zum Thema Tanz von Alex Katz, einem der Schlüsselfiguren der amerikanischen Pop Art.