Eng benachbart: bildende Kunst und Literatur
KÜNSTLERHAUS / SENSE AND SENSIBILITY
20/07/11 Die überaus komplexe Sommerausstellung des Salzburger Kunstvereins, „Sense and Sensibility“, spürt zeitgenössischen Beziehungen zwischen verschiedenen Ausdrucksformen nach.
Von Werner Thuswaldner
Die Sommerausstellung des Salzburger Kunstvereins will zeigen, welche Verschränkungen es heutzutage zwischen Literatur und bildender Kunst gibt. Gemeint ist nicht die Kunst der Illustration literarischer Texte, eher schon Impulse, die Künstlerinnen und Künstler aus literarischen Vorlagen für ihre Arbeit beziehen. Die Arbeit von Michael Höpfer zeigt dies exemplarisch: An einem Leuchttisch sind Dutzende Diapositive zu sehen, die sich mittels einer Lupe näher betrachten lassen. Sie zeigen devastierte Landschaften, grauenvoll einerseits, von poetischer Eindringlichkeit andrerseits. Höpfners Thema ist die Naturzerstörung. Er fand heraus, dass sich der Schriftsteller Joseph Conrad schon in einer im ausgehenden 19. Jahrhundert geschriebenen Kurzgeschichte mit dem Thema befasste. Zwei Kolonialisten treiben es im Kongo zum Äußersten. Sie bringen einander schließlich um. Höpfners Bilderfolgen paraphrasieren das Thema.
Eine andere Kolonisierungsgeschichte greift Lucas Horvath auf: Seine Fotoserie bezieht sich auf eine im 19. Jahrhundert entstandene Bildtapete, die einen Roman von Bernadin de Saint-Pierre illustriert. Der Roman stammt aus dem 18. Jahrhundert und verklärt das Leben in der tropischen Natur. Horvath bringt eine Zeit ins Bewusstsein, als der „edle Wilde“ hoch im Kurs stand.
Christine Meisner bringt mit elf Zeichnungen die Situation der schwarzen Sklaven in den USA des 19. Jahrhunderts ins Bild. Inspiriert von Spirituals zeichnet sie Fluchtwege der Sklaven nach, die damals massenweise ihren Masters im Süden entkamen.
Stephanie Mold lieferte sich einem Experiment – man könnte auch „Mutprobe“ sagen - aus, als sie während eines zweijährigen Aufenthalts in Instanbul als „kluge, blonde Europäerin in der Türkei“ bei 13 fremden Männern übernachtete. Anschließend berichtete sie darüber in ihrem Buch „Ich bin wie Zucker. Jung und blond in Instanbul“. Auch mit bildnerischen Mitteln hielt sie ihre Erfahrungen fest, indem sie die Lebensräume der Männer modellhaft nachbaute. Ihre Herangehensweise ist übrigens nicht todernst, sie hat ein gutes Sensorium für die Absurdität verschiedener Situationen.
Eine große Arbeit von Katrin Plavcak ziert einen Großteil einer Längswand des Ausstellungsraums. Die Künstlerin bringt damit zwei scheinbar weit auseinander liegende Welten zusammen: Einerseits hat sie das Buch „Don Quichote“ von Cervantes im Kopf, andrerseits bezieht sie sich auf das China von heute. Das Gemeinsame ist der unbeirrbare Zug, mit dem der Endle Spanier seinen Einbildungen nachgeht und die Unerschrockenheit, mit der manche Chinesen sich trotz heftigem Widerstand für Ideale einsetzen.
Dass von Büchern nicht bloß Segnungen ausgehen können, sondern auch körperliche Bedrohungen, thematisiert Eva Kotakova. Auf Marinewolldecken, die vom Plafond hängen, hat Mary Ellen Caroll in Lautschrift einen Essay von Jonathan Swift gestickt, in dem der große irische Satiriker gegen die große aufkommende Ökonomisierung seiner Zeit protestierte.
Von vielem aus dieser komplexen, vielgestaltigen Schau im Künstlerhaus wäre noch zu berichten. Im Ausstellungsraum gastiert in einer gemütlichen Nische auch Julius Deutschbauer mit seiner „Bibliothek der ungelesenen Bücher“. Während der Dauer der Ausstellung werden Josef Winkler und zur Finissage Julya Rabinowich zu Lesungen kommen. Im Vorgarten des Künstlerhauses gibt es einen Buchcontainer, den Clegg & Guttmann eingerichtet haben. Hier kann jeder Bücher entnehmen und nach einer Ausleihphase wieder zurückbringen. Niemand ist da, um zu kontrollieren. Man kann hier auch eigene Bücher einstellen.
Im Kunstkabinett wird das Künstlersymposion „Taktiken des Wilderns. ORTung 2010“ dokumentiert. Sieben Künstlerinnen und Künstler erheben den Wilderer zu einem Sinnbild dafür, dass es die Künstlerinnen und Künstlerinnen sind, die in unserer Zeit, in der die Freiräume mehr und mehr eingeengt werden, für Offenheit und für die Deregulierung eintreten.