Salzburg, Shanghai und mehr
LEICA GALERIE / H.G. ESCH
12/08/10 Johann Michael Sattler hat sein Salzburg-Panorama bei ganz spezifischem Wetter aufgenommen. Nachmittags, als sich vermutlich ein Gewitter gerade komplett verzogen hatte und viele hübsche weiße Wolkchen am Himmel standen. Ein heutiger Fotograf kann mit Biedermeier-Bewölkung nicht so viel anfangen.
Von Reinhard Kriechbaum
Der Deutsche Hans Georg Esch hat jedenfalls lieber gewartet, bis der Himmel über Salzburg wirklich völlig wolkenfrei war. Was täte ein Perfektionist wie er mit Schlagschatten auf seinen Lieblingsmotiven, Gebäuden und städtischen Sihouetten? Esch hat jedenfalls das Sattler-Panorama paraphrasiert, und im Hof Wolf-Dietrichsruh der Residenz kann man sich das Ergebnis - "Salzburg 360 Grad" - anschauen.
Genau so müssen wir es uns wohl vorstellen, wenn Sattlers Malerei-"Zirkus" irgendwo Station machte: eine Rotunde, ein Podest inmitten - und schon war ein Rundumblick auf Salzburg möglich. Ohne Schnürlregen. Sattler ließ eine Prozession über den Kapitelplatz gehen, jetzt sticht dort natürlich der Mann auf der Goldkugel und das große Straßen-Schach ins Auge. Toll, wie viele Einzelheiten H.G. Esch auf seinen Fotos herausbringt. Da nimmt er es leicht auf mit einem Maler, der da und dort vielleicht ein wenig nachbessert und der visuellen Wahrnehmung nachhilft. Esch, der seit Jahrzehnten als Fotograf für internationale Architektur-Büros tätig ist, schafft das alles gleichsam auf den ersten Abdruck.
Natürlich geht es ihm nicht nur um puren Hochglanz. In den brillanten Aufnahmen spielt schon auch oft ein Gefühl für Stimmungen mit. Davon kann man sich ein Bild machen, wenn man nicht nur das Runbdbild, sondern auch die Ausstellung in der Leica-Galerie besucht. Da ist Salzburg in allerbester Gesellschaft, zwischen Shanghai und New York. Die Skyline hierzulande ist freilich unvergleichlich katholischer geprägt. Aber nicht nur Kirchtürme haben ihren Reiz. Die Dachlandschaft von Hongkong aus der Vogelperspektive ist interessant, weil sich manche Leute in luftiger Wolkenkratzer-Höhe noch ein Dachgärtlein gesichert haben.
Eine abendlich-dräuende Gewitterwolke gibt Jahrhundertwende-Bauwerken in Manhattan eine unerwartet poetische Note, und ähnliches gilt für die lichtgleissenden abendlichen Hochhausfassaden von Hongkong. Wie Pop Art wirkt hingegen eine Nacht-Ansicht von Berlin.
An serielle Kunst denkt man vor einer Fotoserie, die H.G. Esch einfach "Structure" nennt: In Chicago hat Esch eine Hausfassade mit lauter identischen Balkonen entdeckt. Die Szenerie mit all den Sitzgelegenheiten und Alltagsdingen wirkt wie eine Theaterinszenierung von Christoph Marthaler und seiner Ausstatterin Anna Viebrock. In Tokyo dürfte Urlaub auf Balkonien weniger beliebt sein. Selbst im x-ten Stockwerk und hinter dem kleinsten Fenster versuchen die Leute dort, ihre Privatheit sorgsam hinter Gardinen zu verstecken.
Die Architektur ist und bleibt aber H.G. Eschs Domäne. Hochhaustürme mit Glasfassaden in Shanghai muten wie das pure Utopia an. Aber die Wüstenstadt Shiban mit ihren Lehm-Hochhäusern und dem imposanten Felsenberg dahinter ist auch nicht ohne.