Der abstrakte Blick auf die Dinge
GALERIE WELZ / WOLFGANG HOLLEGHA
11/08/10 Abstrakt - das ist alles andere als gegenstandslos. Vor den farbenfroh-vitalen Bildern von Wolfgang Hollegha, die in der Galerie Welz in diesem Sommer zu sehen sind, muss man sich das wieder einmal sehr bewusst machen.
Von Reinhard Kriechbaum
Zu der Schau ist ein kleiner Katalog erschienen, und da schildert Hans Widrich (der langjährige Pressechef der Festspiele war ja auch als Galerist tätig), wie Hollegha zwei Mal seinen Vater proträtierte. Ein Mal - das war 1964 ist ein "altmeisterliche" Zeichnung herausgekommen. Das zweite Mal, 1966, lief die Sache anders. Widrich war Zeuge und schildert, wie Hollegha damals in Steingutschüsseln stark verdünnte Farben bereit stellte. "Der Bauer mit Hut nahm für Stunden auf einem Sessel Platz. Hollegha sah in lange an, bückte sich dann, gestikulierte mit der Rechten über der Leinwand, als ob er zeichnete und teilte damit offenbar genau sein Arbeitsfeld ein. Dann ergriff er die erste Schüssel und übergoss mit vollem Schwung eine größere Fläche, aus der nächsten eine weitere, nahm ein Tuch, um die Farben zu verwischen und auch zu mischen. Sein beobachtender Blick konzentrierte sich auf einen kleinen Teil des Gesichts: Stirne mit Haarlocke, Nase, linkes Auge, Schnurrbart …"
"Kopf" betitelte der Maler folgerichtig das so impulsiv geschaffene Ölbild. An dem eruptiven Schaffensprozess hat sich bis heute im Wesentlichen nichts geändert. Das bestätigen viele Arbeiten jüngsten Datums in der Galerie Welz. Nicht unmittelbar wird man bei einem Titel wie "Morsches Holz" oder "Äste im Wald" auf das Motiv selbst rückschließen können. Aber wie damals im "Kopf" die Einzelheit eben aus der direkten Anschauung "abstrahiert" wurde, so destilliert Wolfgang Hollegha auch jetzt das scheinbar so spontan Hingeworfene mit genauem Blick aus dem Detail heraus.
Die vitale Kraft des jetzt 81jährigen nimmt immer aufs Neue ein. Auf dem Rechberg in der Steiermark, wo Hollegha seit den sechziger Jahren lebt, hat er sich einen vierzehn Meter hohen Atelier-Turm aus Holz bauen lassen. Da, weiß Widrich, könne der Künstler "von verschieden hohen Entfernungen herab den Fortschritt seines Malens überprüfen".
1956 war Wolfgang Hollegha einer der Mitbegründer der legendären Malergruppe rund um Monsignore Otto Mauer und seiner Galerie nächst St. Stephan - gemeinsam mit Arnulf Rainer, Markus Prachensky und Josef Mikl. Die Gruppe bildete damals Speerspitze der abstrakten Kunst in Österreich und fand rasch auch in Übersee Beachtung. 1958 schon war Hollegha einer von "Vier österreichischen Malern", die im Guggenheim-Museum New York ein Podium fanden. Im selben Jahr bekam Hollegha den Guggenheim-Preis. Ein Vierteljahrhundert lang, bis 1997, leitete er eine Klasse für Malerei an der Akademie der bildenden Künste in Wien.
Feine aquarellierte Federzeichnungen aus den frühen fünfziger Jahren zeigen in der Schau bei Welz den unaufhaltsamen Weg in die Abstraktion: "Vegetabile Formen", ein "Kruzifix", mehrere "Sitzende Figuren". Im "Mann mit Mütze" (1959) ist die Lösung von der konkreten Form schon sehr weit fortgeschritten.
Erhellend auch ein stattliches Konvolut von Graphitstift-Zeichnungen, in denen die Linien kraftvoll gebündelt, gleichsam silhouettenhaft verdichtet sind und in denen sich spiegelt, dass Hollegha in seiner Suche nach der abstrakten Form auch als Zeichner so überlegt wie impulsiv vorgeht. Aber das Wesentliche sind natürlich die jüngsten Ölbilder, schier ungebremst in ihrer Lebendigkeit in Farbe und Pinselstrich. Gut möglich, dass auch der der Träger der "Blauen Mütze" eine gute Weile lang still sitzen musste. So wie ein halbes Jahrhundert zuvor Hans Widrichs Vater.