Zweifelhafte Systeme
THEATER(OFF)ENSIVE / PINTER DOPPEL KOMÖDIEN
09/03/10 Die Theater(Off)ensive hat sich der absurden Dramatik des englischen Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers Harold Pinter angenommen. - Man spielt diesmal im Kellergewölbe des "Posthofs" in der Kaigasse.Von Gerti Krawanja
Der Taxifahrer mit der Nummer 274 scheint sich pudelwohl zu fühlen - besser jedenfalls als sein Fahrgast, der letztlich wegen der Ruhe und Desorientierung des Fahrers, der jegliche Kommunikation ad absurdum führt, resigniert. - Zwei frühe Stücke von Harold Pinter hat sich die Theater(Off)ensive vorgenommen. In "Victoria Station" entsteht in dem kleinen Kellergewölbe des Posthofs eine stimmige, aber auch bedrängende Atmosphäre. Zwei winzige Fenster geben die Köpfe der beiden Akteure frei, deren Handlung allein durch Mimik und Sprache überzeugen muss - und es auch tut. Regisseur Thomas Groß hat die Rollen maßgeschneidert auf die beiden Schauspieler Alex Linse - dem künstlerischen Leiter der Theater(Off)ensive - und Andreas Peer.
Das subtilere und auch längere Stück an dem Abend ist Harold Pinters Einakter „Der stumme Diener“: Die beiden Profikiller Ben und Gus vertreiben sich die Zeit mit sinnlosen Gesprächen in einem Keller, während sie auf den nächsten Auftrag von oben warten. Wer wird das nächste Opfer sein? Ist es gar eine Frau? Warum funktioniert die Klospülung nicht? Und woher die Streichhölzer für den Gasherd nehmen? Die Gespräche werden immer absurder, die Stimmung immer bedrückender. Die beiden Männer sind in einem System aus Bespitzelung und Unterdrückung gefangen. Ein Speisenaufzug - der stumme Diener eben - sowie ein Sprachrohr stellen die einzige Verbindung nach draußen dar. Immer grotesker werden die Bestellungen von oben. Das lässt Gus schließlich an dem System zweifeln und Fragen stellen, wogegen Ben sich dem System gänzlich unterordnet.
Manchmal lässt Pinter einen kurzen Blick in die Seele auch von Ben erhaschen, wenn er ihn über seine Leidenschaft für Holz sprechen lässt. die er aber mit Absicht ins Leere laufen lässt. Pinter geht es hier hauptsächlich um Wortfetzen, die er dem Publikum hinschmeißt. Letztlich ist es jedem selbst überlassen, wie und ob er sich den Akteuren annähert und die Ironie in den Sätzen erkennt.
Andreas Peer, der kurzfristig für seinen erkrankten Kollegen Detlef Trippel eingesprungen ist, kann die Rolle von Ben, der seine despotischen Züge an Gus auslässt, facettenreich auskosten. Alex Linse ist der „menschlichere“ und unterwürfige Gus. Wenn sich die Aggression zuspitzt, da vermischen sich die Temperamente, man hätte dem einen mehr an Kraft zugetraut und dem anderen weniger abverlangt. Das Ende bleibt offen, wenn auch vorhersehbar.