Wo ist das Feuer in der Wassermelone
SCHAUSPIELHAUS / SOPHIES WELT
08/10/13 Wilde Bärte, wallende Togen: Die Naturphilosophen machen was her, wenn auch der Faltenwurf nicht immer „klassisch“ ausfällt. Thales plantscht mit dem Urstoff Wasser, Anaximenes schwenkt das Glas auch nicht leer in der Gegend herum: Luft ist schließlich kein Nichts. Und Empedokles serviert überhaupt einen Cocktail, gemischt aus den Urstoffen Feuer, Wasser, Luft und Erde.
Von Heidemarie Klabacher
Roman-Dramatisierungen sind ja schon schlimm genug, jetzt auch noch eine Philosophiegeschichte für die Bühne! Was nach ausgewachsener Schnapsidee geklungen hat, hat sich als hinreißend unterhaltsames Theaterprojekt voll Witz und Poesie herausgestellt.
„Sophies Welt“ heißt der Roman von Jostein Gaarder, der 1991 erschienen, 1993 auf Deutsch herausgekommen, seither in 59 Sprachen übersetzt und weltweit über vierzig Millionen Mal verkauft worden ist: Das Mädchen Sophie Amundsen bekommt einen Brief, in dem nichts anderes steht, als die Frage: „Wer bist du?“ Immer mehr Briefe, immer mehr und immer komplexere Fragen bringen das Leben der Vierzehnjährigen aus seiner geordneten Bahn.
Am Montag (7.10.) hatte „Sophies Welt“ im Schaupielhaus Premiere. Die Regisseurin Caroline Richards hat zusammen mit dem Regisseur und Dramaturgen Christoph Batscheider den Bestseller für die Bühne bearbeitet. Die „dramatisierte Fassung“ ist überzeugend, die „szenische Umsetzung“ hinreißend.
Eine Art philosophischer Laienspielgruppe ist angetreten, um dem Mädchen Sophie die Geschichte der Philosophie und die Positionen ihrer wichtigsten Vertreter in kurzen Szenen nahe zu bringen. Von den bärtigen Vorsokratikern war schon die Rede. Das ist kurzweilig und in der gerade richtigen Dosis Unbeholfenheit und Übertreibung überaus unterhaltsam. Die Veranschaulichung des Platon’schen „Höhengleichnisses“ – mit Scheinwerfer und Pferdchen und Schatten – sollte überhaupt gefilmt und als Anschauungsmaterial und Unterrichtsbehelf an Schulen und Philosophische Fakultäten geschickt werden.
Der Einsatz solch scheinbar „einfachster“ Theatermittel vermittelt komplexe Inhalte und überwindet alle Distanzen: Da rudert Sophie über den See (die ganzen Briefe bringen sie wirklich gehörig auf Trab) um dem geheimnisvollen Briefeschreiber aufzuspüren: Auch das lösen Regisseurin Caroline Richards und die Bühnenbildnerin Julia Libiseller mit einer Projektion - und zwar von Teller und Papierschiffchen. Die Darstellerin der Sophie, die wunderbar natürliche Anna Katharina Fromman, läuft derweil mit einem Ruder über die Bühne. Das näher kommen des roten Blockhauses am anderen Ufer wird mit roten Pappkarton-Häuschen in immer größerem Format angedeutet.
Da kann man nur sagen: Theaterzauber vom Feinsten! Einfachste Mittel, die poetische Wirklichkeiten herbei- und die Realität verzaubern. Das gilt besonders für den „Hauptspielort“, Sophies Kinderzimmer im Elternhaus: Ein echtes kleines Puppenhaus auf der Bühne, die Projektion und die begehbare vergrößerte Darstellung helfen staunen (Anfang aller Philosphie) – und helfen mit, das ohnehin komplexe Spiel mit Wahrnehmungs- und Wirklichkeitsebenen zu unterstützen.
Dabei geht es also um Philosophie, genauer gesagt um die Entwicklung vor allem erkenntnistheoretischer Positionen über die Jahrhunderte und Jahrtausende. Nicht-Berufsphilosophen sind da mit „Sophies Welt“ gut bedient. Noch kurzweiliger ist die Bühnenfassung, ein guter Einstieg. Leider gibt es nur "Schulaufführungen" an Vor- und Nachmittagen. Niemand sollte sich aber von einem Besuch in Sophies Welt abhalten lassen. Man kann wirklich was lernen. Überhaupt ist die Zielgruppe nicht ganz klar auszumachen: "Ab 12 Jahren" empfielt das Schauspielhaus. Für Zwölfjährige ist es - bei aller Unterhaltsamkeit - vielleicht doch ein wenig steil. Oberstufenschüler halten sich vielleicht für "zu groß", wären aber vermutlich genau die Richtigen.
Einen kleinen Hang zum Schulmeisterlichen und Enzyklopedischen kann man übrigens dem Team nicht absprechen: Nach eineinhalb Stunden Theatererlebnis Pause zu machen, um dann nochmals eine Dreiviertelstunde anzuhängen, ist kontraproduktiv. Denn in die Gegenwart der Philosophischen Positionen führen ohnehin weder Buch noch Bühnenfassung. Da seien außerdem Gott oder Platon oder Popper davor.