Das Andräviertel und sein kriminelles Potential
HINTERGRUND / „OHNETITEL“
09/10/13 Selbst Tatort-Kommissare ernähren sich gerne am Würstelstand, nicht zuletzt, weil sie an diesem kommunikativen Ort nicht nur Kalorien, sondern auch die eine oder andere gute Information ausfassen. Genau da hakt „ohnetitel“, diese ambitionierte Salzburger Thetargruppe, ein.
Von Reinhard Kriechbaum
Die Autoren von Fernsehkrimis müssen es wissen, da kann „ohne titel“ also nicht krass daneben liegen, auch im vergleichsweise provinziellen Salzburg nicht, wo die Kriminalitätsrate schwerlich an jene der üblichen „Tatort“-Hotspots herankommen wird. „Tatort: Würstelstand“ heißt das Projekt also, für das „ohnetitel“ einen Landesförderpereis bei „Podium 13“ bekommen hat.
Am „Tatort: Würstelstand“ geht es also nicht ums Burenhäutl, sondern ums Drumherum. Dieses Drumherum ist das Andräviertel, das flugs zum Tatort erklärt wird. Den Senf zur Krimi-Wurst haben dort Wohnende beigesteuert, als sie in den vergangenen Tagen – von 5. bis 7. Oktober – bei einem der Würstelstände einkehrten und von sich, von ihrem Stadtviertel und seinen Geschichtchen haben erzählen müssen. Kommissar Schauspieler/in ermittelten, indem sie zuhörten...
„Wir bereiten alle Gerüchte schmackhaft zu und servieren sie brühwarm. Auf einer Tour, die Sie dahin mitnimmt, wo Sie sicher nicht gern allein wären“, versprechen die Leute von „ohnetitel“. Am Freitag (11.10.) um 18 Uhr ist es das erste Mal so weit: Vor dem Kongresshaus an der Rainerstraße geht es los, und dann noch ein paarmal am kommenden Wochenende. Die Publikumsanzahl dieser Stadtkrimi-Performance ist klarerweise begrenzt.
„Das Konzept des Salzburger Künstler-Kollektivs 'ohnetitel' hat die Jury durch sein originelles Thema, sein interventionistisch-partizipatives Format sowie durch seinen niederschwelligen Zugang überzeugt“, heißt es in der Jurybegründung für Podium 13. „Das Projekt „Tatort: Würstelstand“ macht den öffentlichen Raum zur Bühne und das urbane Andräviertel zum Zentrum des Geschehens. Ein klassischer Würstelkiosk und seine Kundschaft dienen zum einen als soziale Drehscheibe und Teaser für das Stück, zum anderen als wichtige Austauschbörse für bekannte und unbekannte Gerüchte, die wiederum in das Tatort-Drehbuch mit einfließen. Daraus entwickelt die Gruppe einen inszenierten Rundgang durch den Stadtteil, der die Teilnehmenden zu verschiedenen Schauplätzen führt und zur Lösung des fiktiven Kriminalfalls einlädt.“
Solche Stadtteil-Experimente macht „ohnetitel“ gerne. Bisher hat man sich vor allem in der benachbarten Elisabethvorstadt und in Itzling umgetan. Eine ehemaliges Modewaren-Kleinkrämerei diente zum beispiel als „Warteraum für Winterreisende" und ward zum Adventkalender (2008). Auch das „Postamt Mitzi“ zwei Jahre später war ein Ort für liebenswerte kleine Theater-Miniaturen. Schließlich „grandhotel itzling - broadway itzling", 2011: auch ein Projekt, das manche Überraschung aus hundert Jahren Leben an der Stadtperipherie im Wortsinn offenkundig machte.
Thomas Beck, Dorit Ehlers, Sabine Jenichl, Gisela Ruby und Arthur Zgubic sind die kreativen Köpfe, denen bloß kein Name für ihr eigenes Ensemble eingefallen ist. Aber sicher haben sie sich auch bei „ohnetitel“ etwas Hintersinniges gedacht. Man verstehe sich „als eine Art Label im Hintergrund, erklärt man. „In der ersten Reihe: spannende Theaterprojekte an spannenden Orten mit spannenden Themen.“