Kabarett-Urgestein
KABARETT / MOTZART / GEORG SCHRAMM
30/01/12 Deutschland mangelt es nicht an politisch motivierten Kabarettisten. Gäbe es den Begriff „Wutbürger“ nicht, für Georg Schramm hätte er längst erfunden werden müssen.
Von Horst Reischenböck
Am zweiten Abend der Motzart-Kabarettwoche in der ARGEkultur (Sonntag, 29. 1.) gab’s die Österreich-Premiere seines neuesten Programms „Meister Yodas Ende – über die Zweckentfremdung der Demenz“. Vor fünf Jahren war Georg Schramm vor diesem Forum zuletzt zu Gast gewesen. Bissig, boshaft, zynisch lieferte er auch diesmal seine Kommentare, traf damit punktgenau ins Ziel. Etliches verknüpfte er dabei zu neuer Einheit, das aus Zeiten seiner Mitarbeit im Fernsehen in „Neues aus der Anstalt“ bereits bekannt dünkte. Aus dieser Sendung hat sich Georg Schramm mittlerweile verabschiedet.
Der Kabarettist – man darf längst Altmeister sagen zu dem 1949 Geborenen – erfindet seine Figuren nicht, er hat sie im Berufsleben kennen gelernt: Als Psychologe (zwölf Jahre war er in einer neurologischen Reha-Klinik tätig) kennt er die Typen, etwa den ominösen Lothar Dombrowski, Vorsitzenden eines Vereins zur Selbstfindung älterer Menschen. Den lässt er beobachten, dass bei Demonstrationen jetzt nicht mehr „Lumpenproletariat“ in erster Reihe stehe, sondern junge Männer unter Testosteron-Hochdruck. Das habe die US-Army sogar bewusst als Kampfdroge eingesetzt. Was in der Steinzeit als evolutionärer Sprung ursprünglich nicht so schlecht gewesen sei. Oder wären sonst mit primitivem Speer Säbelzahntiger gejagt worden?
August, SPD-naher Stammtischbruder, hat ein eigenartiges Hobby: Er feuert allmorgendlich in seinem Schrebergarten auf die erste Seite der Bildzeitung, nach dem Motto der Finanzwelt „Nimm, was du kriegen kannst!“ Im konkreten Fall war auf dem „Bild“-Titelfoto drei Wochen lang Sarazin zu kriegen. Opfer muss es geben.
Georg Schramm schlüpft zwischendurch in die Rolle des Pressereferenten der Bundeswehr-Panzerabteilung und es tun sich aus dessen Weltsicht ungeahnte Perspektiven für die Realpolitik auf. Und dann ist da wieder Lothar Dombrowski, der die Demenz fühlt und zur Pillendose greift: "Wie viele könnte ich nehmen, bis Sie eingreifen?" Das Lachen weicht da unweigerlich betretener Stille.