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Die Ratten überleben

WINTERFEST / LE BOUSTROPHÉDON

27/12/11 „Es ist meiner Meinung nach das wertvollste Stück, das ich bis jetzt beim Winterfest zeigen durfte“, sagt Georg Daxner über die Produktion „Court Miracles“, die am 26. Dezember im Theaterzelt im Volksgarten Premiere hatte.

Von Horst Reischenböck

altDie französische Zirkustruppe „Le Boustrophédon“ ist vor einigen Jahren mit „Clowns ohne Grenzen“ in ein Krisengebiet gereist und hat für Vertriebene und Gejagte in einem Flüchtlingslager gespielt. Zurück nach Hause gebracht haben sie die Idee für ein Stück in Kriegsgräuel, Flüchtlingselend und Poesie auf einzigartige Weise zusammenfließen.

„Court Miracles“ heißt die Produktion, übersetzt „Hof der Wunder“. Tatsächlich spielt sich im Innenhof eines Flüchtlings-Notlagers Wundersames ab: Der Krieg hat zwar seine Spuren hinterlassen, doch die Überlebenden organisieren altsich bereits. Verwundete werden verarztet, Lebensmittelvorräte verteilt und Ratten vertrieben. Es ist eine Szene wie in einem jener Filme, in dem die letzten Überlebenden mit der Welt und mit dem Leben ganz von vorne anfangen. Man ist am Schauplatz einer Tragödie – doch im nächsten Augenblick verzaubern Le Boustrophédon die Welt und die Menschen.

Le Boustrophédon begeistern durch ein faszinierendes Zusammenspiel von Mensch und Puppe, die so kunstvoll miteinander verwoben sind, dass man oft kaum drauf kommt, ob diese Hand oder dieses Bein nun zur Puppe oder zum Artisten gehört. „Halb Mensch, halb Puppe sind diese Figuren gleichzeitig grausam, opportunistisch, heroisch und äußerst liebenswürdig und regen zum Lachen, Weinen und Nachdenken an“, so die Zirkustruppe über ihre Geschöpfe.

altÜber Bretterverschläge huscht eine Ratte. Ein Nachttopf wird aus einem Fenster entleert. Dann kommt es in der Regie von Christian Coumin knüppeldick. Das vermeintliche Elend wird von diesen Zwitterwesen irrational verfremdet und ins Tragikomische gewandelt. Es treten Invalide auf oder solche, die es im Lauf des Abends werden. Man versucht beispielsweise, einem Verletzten auf einer Bahre ein Bein abzusägen. Einer Frau fehlen beide Unterschenkel, später sitzt sie im Rollstuhl. Einem Sergeant geht der linke Unterarm ab, einem Soldaten wiederum der rechte. Das führt dann zu Situationskomik, wenn man sich gegenseitig Zigaretten anzündet – dabei muss schließlich auch dem Rangunterschied Tribut gezollt werden.

Diese Leute jonglieren auch mit Kartoffeln. Sogar Überschläge können einarmig gelingen. Auch beim Desinfizieren mit einer Lysoform-Pumpe in einer ebenso gekonnt tollpatschigen Rollschuh-Nummer darf das Publikum seine Irritation in lautstarkes Lachen hinein befreien. Bis dann die Einschläge näher kommen und alles trotz Rot-Kreuz-Fahne fatal endet. Was übrig bleibt, ist ein Kind mitten auf der Bühne, die dann Ratten in Beschlag nehmen.

Aufführungen bis 6. Jänner im Volksgarten. - www.winterfest.at
Bilder: Winterfest

 

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