Zu viele Frauen, zu wenige Anzüge
SCHAUSPIELHAUS / UNSER MANN IN BRÜSSEL
14/12/11 Was für die Kinder das Weihnachtsmärchen, ist für die übrigen Theaterbesucher die jährliche Screwball-Comedy. Das Tür-öffne-dich-Spiel mit den üblichen Verwechslungen und Missverständnissen ist unverzichtbar.
Von Reinhard Kriechbaum
Im Fall von „Unser Mann in Brüssel“, jetzt zu sehen im Schauspielhaus, ist ausreichend vorgesorgt: Sechs Türen gibt es in der mit pinkem Blumenmuster tapezierten Wohnung, und eine siebente führt hinaus auf den Balkon. Die ist aus Glas und sie ist fatalerweise nur von innen zu öffnen. Beides sorgt für running Gags in einer Story, in der sechs Leute von Zimmer zu Zimmer hecheln. Zwei Schlafzimmer, Bad und Balkon sind die wichtigsten Orte, wo die Frauen, die sich lieber nicht über den Weg laufen sollten, versteckt werden. Regisseur Markus Bartl muss eine Ampelanlage hinter den Türen installiert haben: Es klappt alles mit bestem Timing.
Weitere strukturell wichtige Dinge dieser Farce von dem alten britischen TV-Serien-Haudegen Edward Taylor: ein Boiler, der für Geräusch sorgt. Ein Fläschchen mit Pillen, mit denen sich die gehörnte Freundin von Sir Clive Partridge (einem ehrgeizigen EU-Politiker) gleich zu Beginn ins Jenseits befördern will. Und noch viel wichtiger: ein Müllschlucker, in dem die Freundin des Wohnungsvermieters nach einer Beziehungskrise alle Kleidungsstücke, derer sie habhaft wird, entsorgt. Es werden also der Frauen immer mehr, und der Anzüge immer weniger, was Anlass zu berechtigter Besorgnis gibt.
Antony Connor ist Sir Clive Partridge, Frauenheld und EU-Karrierist, dem all das rasch über den Kopf wächst. Albert Friedl spielt den Helfer Simon, der als Sekretär der britischen Gesandtschaft in Brüssel die organisatorischen Fäden ganz fest in der Hand haben sollte. Hat er aber nicht. Katharina Pizzera, Sophie Hichert und Elke Hartmann sind die drei Damen, letztere die Ehefrau von Sir Clive. Eigentlich sollte sie sofort misstrauisch werden wegen der verdächtigen Hektik in der Herrenwelt – aber sie schnallt gar nichts, weil sie mit Saufen und exzessivem Dichten beschäftigt ist.
Wortfindungs-Ehrgeiz hätte dem Textübersetzer Horst Willems auch nicht geschadet. Das Bombardement mit simplen Kalauern ist ärgerlich. Er hat das Stück übrigens „Alles in Butter“ genannt. Da ist man mit den neuen Titel „Unser Mann in Brüssel“ fein heraus (Originaltitel: A Rise in the Market).
Und wozu das ganze Theater? Jacques Berri, der EU-Kommissionsvorsitzende, steht ins Haus. Vor ihm will, muss man ur-seriös dastehen. Olaf Salzer spielt diesen alten puritanischen Knacker, der natürlich auch keine weiße Weste - wenn man’s genau nimmt, überhaupt keine Weste - hat unter dem Trenchcoat. Denn auch er hat bei einem amourösen Sidekick seinen Anzug eingebüßt! Dieser Schlusspointe hat der Regisseur misstraut, und deshalb setzt er am Ende allen Protagonisten Schlumpf-Hauben auf. So singen (!) sie sich dem finalen Tiefpunkt entgegen.
Der Autor Edward Taylor ist von seiner Soap-Arbeit wahrscheinlich gewohnt, dass Lacher eingeblendet werden. Das ist im Schauspielhaus natürlich nicht so, aber viele im Publikum haben bei der Premiere ganz genau gewusst, wo man sich auf die Schenkel klopfen muss.