James Bond - Pappkamerad
SCHAUSPIELHAUS / DIE 39 STUFEN
10/02/11 Schottland im Herzen der Finsternis. Der Nordland-Express donnert durch die Highlands. Licht flackert auf. Ein Zugfenster wird mit Gewalt aufgestoßen. Eine Gestalt stürzt in Gestrüpp und Gestein. Szenenwechsel. Ein altmodisches Auto, vier Insassen (zwei davon Gauner). Plötzlich: Lauter Schafe.
Von Heidemarie Klabacher
Es ist ein rechter Klamauk, den das Schauspielhaus mit „Die 39 Stufen“ in der Regie von Claus Tröger auf die Studiobühne bringt.
Der Highland-Express donnert - aus Pappkarton ausgeschnitten - auf Holzstäben über den Kulissenrand. Die Schafe blöken im Kopf. Das Messer im Rücken der geheimnisvollen Fremden ist echt. Echt aufgeklebt. Geflüchtet wird - egal ob aus Zug, Appartement in London oder Kate in Schottland - prinzipiell durch den Fensterrahmen. Ohne Haus herum, eh klar.
Nicht ganz so klar ist, wer mit dieser Lesart der Bühnenbearbeitung des Hitchcock/Buchan-Klassikers „Die 39 Stufen“ verulkt werden soll: das Team oder das Publikum. Jedenfalls geht es zu, wie auf der Löwinger-Bühne, nur eben in Schottland.
Falls es jemand nicht wissen sollte: „Die 39 Stufen“ sind eine Geheimorganisation, die militärische Geheimnisse aus England schmuggeln will. Dabei in die Quere kommt ihr der Tolpatsch Richard Hannay, der - in bester James Bond-Manier „Für England“ - allerhand Unbill auf sich nimmt.
Antony Connor gibt diesen Westentaschen-Bond mit großer Hingabe und würdevoller Eleganz. Antony Connor spielt nur diese eine Rolle. Er hat aber auch wirklich mit Whiskyglas, Pfeife, Pamela oder Handschellen alle Hände voll zu tun. Sein Bond-Girl ist Ute Hamm. Sie ist auch die Geheimagentin und die schottische Bäuerin, die in einem einschichtigen Gehöft dem von Polizei und Unterwelt gnadenlos Gejagten Unterschlupf gewährt.
Olaf Salzer und Marcus Marotte setzen sich in flottem Tempo jeweils unterschiedlichste Kopfbedeckungen auf, geben Zeitungsjungen, Polizisten und Kommissare (in England und Schottland - da werden subtil die Unterschiede in den Polizeikräften herausgearbeitet), Bauern, Gedächtniskünstler oder Meisterganoven in rascher Folge.
Bis die Geschichte in Schwung kommt, dauert es ein wenig. Vor allem das Sprechen mit unterschiedlichen Akzenten macht es ein wenig mühsam. Sobald man sich aber gefasst hat - „Die meinen das ernst! Die spielen jetzt wirklich Zug fahren auf drei Kisten!“ - gibt es vergnügliche Momente. Die zugespielte hochdramatische Filmmusik hilft sehr. Und der Pianist Gerhard Gruber untermalt mit Live-Klängen auf’s Feinste die Turbulenzen.