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Tatsächlich eine „Glaubensfrage“

SCHAUSPIELHAUS / „ZWEIFEL“

24/09/10 Ein Pfarrer, der vielleicht ein Kind missbraucht hat, fliegt auf, weil eine alte Klosterschwester die Augen zum rechten Zeitpunkt offen gehabt hat. Für sein Stück „Doubt“ (Zweifel) hat der 1950 in der New Yorker Bronx aufgewachsene John Patrick Shanley 2005 prompt den Pulitzerpreis bekommen und einen Tony für das beste Theaterstück.

Von Reinhard Kriechbaum

altFür Shanleys eigene Verfilmung des Stoffes („Glaubensfrage“) drei Jahre später gab es Nominierungen für den Golden Globe und für den Oscar. Das Stück zur Stunde, möchte man meinen. Aber dann ertappt man sich im Laufe eines Theaterabends  – die Österreichische Erstaufführung von „Zweifel“ war am Donnerstag (23.9.) im Schauspielhaus Salzburg – dabei, dass man als Zuschauer plötzlich mit der vermeintlich falschen Seite sympathisiert.

Es wird nicht ein „Fall“ verhandelt, sondern es prallen zwei unvereinbare Ideologien aufeinander. Schwester Aloysious, die Schuldirektorin: Die in ihrer Grundeinstellung verbiesterte Nonne wirkt nicht nur in ihrem Verhalten einzementiert in der hierarchischen kirchlichen Ordnung, auch im Denken dieser Frau gibt es nicht den kleinsten Freiraum. Sie ist eine, die ausgezogen ist (oder sich eingebunkert hat), um „die Güte im Namen der Tugend zu vernichten“. Das wird sie sich einmal vorwerfen lassen müssen von Father Flynn. „Sind wir Menschen oder bestehen wir aus Ideen und Überzeugungen?“

Was hat Flynn, Religions- und Sportlehrer, sich zuschulden kommen lassen? Die Sache bleibt einen Theaterabend lang im Dunkel. Ein Bub, als einziger Schwarzer Außenseiter in der Ordensschule, ist beim Messwein-Trinken ertappt worden. Er war allein mit Flynn im Pfarrhaus. Nichts sonst ist greifbar. Für Schwester Aloysius reicht das aus, um einen Feldzug aus Verdächtigung und Verleumdung zu starten. Eine junge Nonne, Schwester James, denkt entschieden positiver, kann sich mit dem liberalen Stil von Father Flynn  durchaus anfreunden, glaubt an seine Unschuld. Die Frau wird zerrieben.

Regisseur Robert Pienz vermeidet jede Polarisierung, er setzt in der Salzburger Aufführung auf den präzisen Dialog. Da geraten Menschen aneinander, die – jeweils aus ihrer Sicht – absolut richtig liegen. Fast schämt man sich, Father Flimm etwas anderes zu unterstellen als positives Denken und Hilfsbereitschaft. Seine Ansichten sind herrlich undogmatisch: „Die Wahrheit taugt nicht für die Predigt, sie ist verwirrend und hat keine Moral.“ Schwester Aloysious hingegen fühlt sich eingebunden in eine „Kette der Verantwortung“. Misstrauen ist ihr Lebenselixier. „Zufriedenheit ist ein Laster“, doziert sie.

Daniela Enzi ist diese Schwester Aloysius. Auch wenn sie ihren gütigsten Blick aufsetzt, spürt man etwas von der Härte, die dieser Frau eingeimpft worden ist wie ein Glaubenssatz. Wie viel (Lebens-)Kraft diese Einstellung kostet, kann man erahnen. Antony Connor legt den Father Flynn als Sanguiniker an, der zwangsläufig anecken muss im Umfeld des Reglements. Auffallend ist, dass Regisseur Robert Pienz sehr deutlich der vom Autor angelegten Schwarz-Weiß-Zeichnung  der Figuren gegensteuert. „Echt“ ist keine dieser Hauptfiguren, sie sind beide Menschen, die kirchliche Rollen „spielen“ und sich wohl bewusst sind, dass sie aus den jeweiligen Scripts nicht aussteigen könnten, selbst wenn sie wollten. In beiden Fällen also: Gesten, die eben felsenfest vertretene, vermeintlich „eigene“ Meinung Lügen strafen, die innere Überzeugung konterkarieren. Das ist mit großer Genauigkeit gezeichnet. Constanze Passin ist die junge Nonne, eine Sympathiefigur. Bernadette Heidegger gibt die Mutter des Buben. Sie tritt Schwester Aloysius entgegen als eine, die sich ohne viel Aufhebens mit der Realität arrangiert. Ein Standpunkt, der die alte Nonne beinah aushebelt aus der selbst verordneten Gewissheit.

Tobias Kreft hat für die Studioproduktion ein Bühnenbild gemacht, das Kirche und Basketballfeld, Büro und Klausur sein kann. Ein starkes Bild: Am Ende wird Schwester Aloysius das Herbstlaub vom Schulhof kehren, das so vertrocknet ist wie ihr Herz. Sie war erfolgreich, Father Flynn hat gehen müssen. Er ist weg- und hochgelobt worden. Der Autor hat selbst eine kirchliche Schule besucht und er scheint den Betrieb, die Typen und die Mechanismen der Macht sehr genau studiert zu haben. Es hätte gar nicht der Pulitzerpreis für Theater sein müssen, „Zweifel“ taugte auch für eine Auszeichnung im journalistischen Genre.

Aufführungen bis 22. Oktober. - www.schauspielhaus-salzburg.at
Bilder: Schauspielhaus Salzburg / Eva-Maria Griese

 

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