So kurz! So heftig! So gratis!
SOMMERSZENE / ERÖFFNUNG
09/07/10 Wo aber waren die Salzburger? Die Sommerszene 2010 wurde Donnerstag (8.7.) Abend mit „die salzburger“ von der Caden Manson / big art group aus New York eröffnet.
Von Gerald Schwarz
09/07/10 Natürlich ist es viel zu früh, um bereits anzufangen, die diesjährige Sommerszene zu bilanzieren. Aber es ist etwas an der (Selbst-)Präsentation des Festivals unter dem Motto „echt salzburg!“, das förmlich danach schreit, es von der ersten Minute an gegen seinen eigenen Anspruch aufzurechnen. So kurz! So heftig! So gratis! So salzburgisch!
Also war die Spannung groß, wie sich das so anfühlt, an einem der ersten strahlenden Sommerabende - mit dem Konzept von „umsonst & draußen“ holt man ja nicht so leicht einen Hund hinterm Ofen hervor in einer Stadt, deren Bewohner sich diesbezüglich oft mehr belästigt als beglückt fühlen (siehe die Rezeption der Kunstwerke der Salzburg Foundation).
Der Platz hier reicht nicht für eine (weitere) Beschreibung des Konzepts für das Projekt „die salzburger“, das (nur) am Donnerstag (8.7.) abend an der Residenz zu sehen war. Tatsache ist, dass es diese Stadt und ihre Bewohner sowohl in der Performance als auch als Publikum nur begrenzt berührt hat. Sehr deutlich - merkbar etwa an den Dialogtexten, deren deutsche Übertragung ihre amerikanische Herkunft nicht verleugnet, - ist diese Show eben nicht aus einem spezifischen Interesse an Salzburg entstanden, sondern ein festivaltypisch reisender Aufguss einer Veranstaltung aus George W. Bushs Amerika.
Ja, das Spiel mit der Fassade der Residenz fasziniert und wird für jene, die dabei waren, einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Und die eingeblendeten Aussagen von Bewohnern Salzburgs, die zu Themen der „Oresteia“ assoziieren durften, machen wirklich Appetit auf die vollständigere Version in der Ausstellung „identity scan“ im republic, die erst ab heute, Freitag (9.7.) abends zu sehen sein wird. Wunderbar waren auch die aleatorisch vorbeiradelnden Einheimischen und die (ungeprobt und perfekt) diagonal den Platz querenden asiatischen Reisegruppen.
Andere Ingredienzien von „die salzburger“ aber wirken an den Haaren herbeigezogen (wenn es um „Entwicklung der Rechtsverhältnisse“ oder „den gesellschaftlichen Dialog“ geht, wurden im Grunde die falschen Ausschnitte der Orestie gewählt), abgestanden oder arg dilettantisch (die „Sitcom“- Variante der Wiederbegegnung von Elektra und Orest). Und auch wenn die Kreatoren von der „big art group“ dies wahrscheinlich nicht gern hören: Von den beiden Hauptdarstellern, Arno Fischbacher und Irmgard Sohm, zwei allzu raren Fixsternen des Salzburger Theaters, hätte man sich gut und gern eine meinetwegen konventionellere, aber gründlichere „Orestie“ anschauen können.
Szene-Intendant Michael Stolhofer spricht im heurigen Festivalprogramm von „mehr als 250 Salzburgerinnen und Salzburgern“, die „an diesen Projekten mitwirken“ und „Impulsgeber und Objekte künstlerischer Befragung“ sind. So viele waren an diesem herrlichen Donnerstag nicht einmal am Anfang auf dem Residenzplatz zuschauen, vom Ende ganz zu schweigen. Im Publikum überwogen die „Szene-Typen“. Und es fehlte - zwei Stunden nach der korrespondierenden Buchpräsentation „portraits einer stadt“ - schon wieder jede Spur von den 149 Nationen, die hier leben.
Aber wahrscheinlich kommt diese Versuchung zur Bilanz wirklich zu früh ...